Methodenentwicklung an BESSY II: Standard-Röntgenspiegel nun auch für ultraschnelle Experimente einsetzbar

Die Röntgenreflektivität des Mo/Si Multilagenspiegels wird durch den um Δt zeitversetzten Laserpuls stark verändert.

Die Röntgenreflektivität des Mo/Si Multilagenspiegels wird durch den um Δt zeitversetzten Laserpuls stark verändert. © HZB

Elektronische, magnetische und strukturelle Prozesse in Energiematerialien finden auf Zeitskalen zwischen Femtosekunden und 100 Pikosekunden statt. Um solche Prozesse zu beobachten, wird die Probe mit einem ersten Lichtpuls angeregt und dann mit einem zeitlich verzögerten Abfragepuls „abgetastet“. Dabei ist es allerdings entscheidend, dass der zeitliche Überlapp beider ultrakurzen Lichtpulse exakt bekannt ist. Nun hat ein Team vom HZB und der Universität Potsdam eine neue und überraschend simple Lösung gefunden, um auch bei Lichtpulsen mit unterschiedlichen Wellenlängen, z.B. aus dem Infrarot- und Röntgenbereich, den zeitlichen Überlapp genau zu messen: Sie setzen dafür einen Standard-Röntgenspiegel ein, der auch sonst in BESSY II  verwendet wird. Der Spiegel besteht aus alternierenden Nanolagen von Molybdän und Silizium, die durch Laseranregung dynamisch ihre Dicke ändern, was sich auf die Reflektivität des Spiegels auswirkt.

In jedem zeitaufgelösten Anregungs-Abfrage-Experiment (Pump-Probe) ist die genaue Kenntnis vom zeitlichen und räumlichen Überlapp der Anrege- und Abfragepulse auf der Probe eine unverzichtbare Voraussetzung. Das Problem des zeitlichen Überlapps wurde in der Laser-Community zwar bereits mit Hilfe von nichtlinearen Kristallen gelöst. Es ist aber damit nicht möglich, diesen Überlapp auch bei Lichtpulsen aus ganz unterschiedlichen Spektralbereichen, so wie Röntgen- und sichtbares Licht, zu bestimmen.

Kohärente Gitterdynamik

Das wichtigste Ziel für das Team des Helmholtz-Zentrum Berlin und der Universität Potsdam war es, eine möglichst vielseitige und schnelle Kreuzkorrelationsmethode für ein breites Spektrum an Röntgen- und sichtbaren Photonen sowie für alle an BESSY II verfügbaren Zeitskalen von 100 fs bis 100 ps zu finden. Sie wählten hierfür einen Molybdän-Silizium (Mo/Si) Multilagen-Spiegel, der für den Weichröntgenbereich optimiert wurde. Der Spiegel besteht aus alternierenden Lagen von metallischem Molybdän und halbleitendem Silizium von jeweils nur wenigen Nanometern Dicke. Durch diese Multilagenstruktur enstehen sogenannten Übergitter-Bragg-Peaks in der Röntgendiffraktion, welche von etwa 100 eV bis in den harten Röntgenbereich mit einer Reflektivität von bis zu 70 Prozent detektierbar sind.

Die Experimentatoren benutzen einen Laser mit 50 fs kurzen Pulsen bei einer Wellenlänge von 800 nm  (nahes Infrarot), um selektiv nur die Molybän-Lagen in dem Mo/Si Spiegel optisch anzuregen. Das ultraschnelle Heizen von nur jeder zweiten Lage führt zu einer quasi-instantanen Erzeugung von kohärenten akustischen Phononen, welche die Reflektivität des Spiegels gleich auf zwei unterschiedlichen Zeitskalen stark verändert. Zuerst kommt es zu einer sehr schnellen Oszillation der Bragg-Peak-Intensität mit einer Amplitude von bis zu 10 Prozent und einer Periode von nur 600 fs. Anschließend verschiebt sich der Bragg-Peak auf einer Zeitskale von 10 ps bis hin zu Nanosekunden mit einer transienten Signaländerung von bis zu 20 Prozent. Beide Effekte bieten eine einfache Möglichkeit, um den zeitlichen Überlapp zwischen Röntgen- und Laserpulsen über verschiedene Zeitskalen hinaus zu finden.

Einfache Umsetzung

Das präsentierte Konzept funktioniert nicht nur für einen breiten Bereich von Photonenenergien, sondern lässt sich auch ohne Änderungen der Probenumgebungen implementieren, da die laser-induzierte Gitterdynamik unabhängig von äußeren Feldern oder Temperaturänderungen ist und somit sogar unter atmosphärischen Bedingungen gemessen werden kann. Des weiteren sind Mo/Si-Spiegel extrem widerstandsfähig gegenüber Laser- und Röntgeneinfluss oder Oxidation. Durch die Möglichkeit, die Spiegelparameter problemlos anzupassen sowie durch das tiefgreifende Verständnis der ultraschnellen Gitterdynamik in Multilagenstrukturen kann das Konzept für spezielle Anwendungen weiter optimiert und angepasst werden.

Erfolgreicher Einsatz

Kürzlich wurde der Mo/Si-Kreuzkorrelator bereits an der UE52/SGM in der Transmissions-NEXAFS-Kammer erfolgreich angewendet, um den zeitlichen Überlapp zwischen dem BESSY II Hybridbunch und Laserpulsen des neuen MHz-Lasers präzise zu bestimmen. In Zukunft wird der BESSY VSR Modus Röntgenpulse mit einer Dauer von nur wenigen Pikosekunden ständig an allen Strahlrohren für immer mehr Experimente in der Zeitdomäne bereitstellen.

Zur Publikation: "Versatile soft X-ray-optical cross-correlator for ultrafast applications",  Daniel Schick, Sebastian Eckert, Niko Pontius, Rolf Mitzner, Alexander Föhlisch, Karsten Holldack and Florian Sorgenfrei, Structural Dynamics (2016)
DOI: 10.1063/1.4964296

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Mesoporöses Silizium: Halbleiter mit neuen Talenten
    Science Highlight
    25.02.2025
    Mesoporöses Silizium: Halbleiter mit neuen Talenten
    Silizium ist das bekannteste Halbleitermaterial. Doch eine gezielte Nanostrukturierung kann die Materialeigenschaften drastisch verändern. Ein Team am HZB hat mit einer eigens entwickelten Ätzapparatur nun mesoporöse Siliziumschichten mit unzähligen winzigen Poren hergestellt und ihre elektrische Leitfähigkeit sowie Thermokraft untersucht. Die Forschenden haben damit erstmals aufgeklärt, wie der elektronische Transport in diesem mesoporösen Silizium funktioniert. Das Material hat großes Potenzial für Anwendungen und könnte auch Qubits für Quantencomputer thermisch isolieren.
  • Innovative Batterie-Elektrode aus Zinn-Schaum
    Science Highlight
    24.02.2025
    Innovative Batterie-Elektrode aus Zinn-Schaum
    Metallbasierte Elektroden in Lithium-Ionen-Akkus versprechen deutlich höhere Kapazitäten als konventionelle Graphit-Elektroden. Leider degradieren sie aufgrund von mechanischen Beanspruchungen während der Lade- und Entladezyklen. Nun zeigt ein Team am HZB, dass ein hochporöser Schaum aus Zinn den mechanischen Stress während der Ladezyklen deutlich besser abfedern kann. Das macht Zinn-Schäume als potentielles Material für Lithium-Batterien interessant.
  • Perowskit-Solarzellen: Der Schlüssel zur Langzeitstabilität
    Science Highlight
    21.02.2025
    Perowskit-Solarzellen: Der Schlüssel zur Langzeitstabilität
    Perowskit-Solarzellen sind kostengünstig in der Herstellung und hocheffizient. Im Außeneinsatz unter realen Wetterbedingungen ist jedoch noch fraglich, wie lange sie stabil bleiben. Dieses Thema greift nun eine internationale Kooperation unter Leitung von Prof. Antonio Abate in der Fachzeitschrift Nature Reviews Materials auf. Die Forschenden untersuchten die Auswirkungen von wiederholten thermischen Zyklen auf Mikrostrukturen und Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Schichten von Perowskit-Solarzellen. Das Fazit: Der entscheidende Faktor für die Degradation von Metall-Halogenid-Perowskiten sind thermische Spannungen. Daraus lassen sich Strategien ableiten, um die Langzeitstabilität von Perowskit-Solarzellen gezielt zu steigern.