"Bloß keine plakative Botschaft an die Wand malen"
Gerrit Peters und Heiko Zahlmann gestalten Graffiti im Hörsaal des Helmholtz-Zentrum Berlin
Kunst und Forschung schafft neue Begegnungsräume und soll zum Dialog anregen. Ein richtungsweisendes Projekt ist die Neugestaltung des HZB-Hörsaals am Lise-Meitner-Campus in Wannsee durch das Künstler-Duo Heiko Zahlmann und Gerrit Peters. Beide Künstler sind seit Jahren in der Graffiti-Szene aktiv und haben die Forschungsthemen des HZB künstlerisch in einem riesigen Wandbild vereint. Die Künstler Gerrit Peters (TASEK) und Heiko Zahlmann (RKT one) berichten über dieses Projekt.
©HZB/Phil Dera
Interview mit Gerrit Peters und Heiko Zahlmann
Wie kam es dazu, dass Sie das Graffiti im Hörsaal des Helmholtz-Zentrum Berlin auftragen durften?
Zahlmann: Das HZB hat uns gebeten, bei einem Wettbewerb einen Entwurf für ein Wandbild im Hörsaal einzureichen. Da haben wir spontan zugesagt. Das Entwerfen war eine große Herausforderung. Als wir mit dem HZB beschäftigt haben, mussten wir uns erst einmal richtig etwas anlesen. Gleichzeitig gab es Vorgaben: Das Bild sollte modern und dynamisch sein. Auch verschiedene Forschungsbereiche sollten sich darin wiederfinden. Das alles in einem Entwurf zu kombinieren, war schon nicht ohne.
Was hat Sie an dieser Herausforderung gereizt?
Zahlmann: Für mich war spannend war, etwas zu entwerfen, dass den Bedürfnissen der Wissenschaftler gerecht werden muss. Vorher war an der Wand im Hörsaal eine Nuklidkarte befestigt, an der viele Menschen emotional hingen. Unser Entwurf musste also mit dieser Karte konkurrieren können. Das war die eigentliche Herausforderung.
Wie lange haben Sie für die Ausführung gebraucht? Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Peters: Wir sind absolut zufrieden. Wir haben zu viert, zusammen mit zwei Kunststudenten, acht Tage gebraucht. Das macht 320 Stunden allein für die Realisierung. Vorher haben wir alles haarklein geplant. Unser Vorgehen ähnelt schon dem von Physikern, die wir am HZB kennengelernt haben: Man braucht viel Vorbereitungszeit für ein kurzes Experiment. Das ist bei uns nicht anders.
Wie soll das Bild auf den Betrachter wirken?
Peters: Die zentrale Essenz, das Verbindende in der Forschung, war für uns der Teilchen-Welle-Dualismus. Das Wandbild soll bewusst zum Entdecken und Rätseln anregen. Wir wollten keine allzu plakative Botschaft an die Wand pinnen. Das wird schnell langweilig. Auf unserem Bild sollen die Menschen immer wieder Neues entdecken können, auch wenn sie zum zehnten Mal im Hörsaal sitzen. Gleichzeitig darf unser Bild nicht vom Geschehen im Hörsaal ablenken. Da sind wir, denke ich, auch mit der Farbgebung bis an die Grenze gegangen.
Bei Auftragsarbeiten muss man oft Kompromisse eingehen. Wie gehen Sie damit um?
Zahlmann: Auch bei Auftragsarbeiten können wir unseren eigenen Stil umsetzen. Man lernt interessante Orte kennen und wir freuen uns, wenn wir Menschen mit unserer Kunst bewegen. Natürlich gehen wir auf die Wünsche der Kunden ein, die alle ihre Berechtigung haben. Die Menschen, die hier arbeiten, sollen sich wiederfinden können. Bei freien Projekten arbeiten wir aber viel kompromissloser. Aber zum Glück müssen wir uns nicht verbiegen.
Ist es wichtig, selbst noch Pinsel oder Dose in die Hand zu nehmen?
Zahlmann: Bei der Wand im Hörsaal haben wir selbst zum Pinsel gegriffen. Grundsätzlich hängt das natürlich von der Größe des Projektes ab. Bei umfangreichen Projekten müssen wir stärker koordinieren und organisieren. Dann verteilen wir Aufgaben und lassen Spezialisten ran. Wir sind mit vielen guten Künstlern vernetzt, die bei Bedarf mithelfen.
Hätte man dieses Motiv auch vor 20 Jahren im Hörsaal einer Forschungseinrichtung anbringen können?
Peters: Sicherlich nicht. Wir haben in den letzten 20 Jahren viel dran gearbeitet, dass die Akzeptanz für Graffiti wächst und sie nicht nur Teil einer Subkultur ist. Gleichzeitig muss die Kunst authentisch bleiben und darf ihre Wurzel nicht verraten. Das zahlt sich langsam aus; urbane Kunst ist mittlerweile Zeitgeist.
Zahlmann: Vor zwanzig Jahren hätten wir vielleicht dieses Bild auch nicht umsetzen können, weil uns das Know-how und die Erfahrungen gefehlt hätten. Auch wäre niemand aus dem HZB auf den Gedanken gekommen, uns nach einen Entwurf zu fragen. Trotzdem haben wir auch schon damals einen Platz für unsere Kunst geschaffen und ihn gefunden. Viele Menschen unserer Generation hat Graffiti geprägt, sie haben selbst gesprüht und sind damit großgeworden. Diese Leute hängen sich jetzt eben kein Ölgemälde über das Sofa, sondern zum Beispiel einen Graffiti-Schriftzug.
Wie wichtig ist dann noch der Kontakt zur Subkultur?
Peters: Der ist sehr wichtig für uns. Wir gehen auf die Szene zu und bieten zum Beispiel Workshops für junge Künstler an.
Zahlmann: Manchmal machen wir auch noch ganz klassische Graffitis - an irgendeiner dreckigen Wand und natürlich ohne Bezahlung. Letzten Dezember habe ich mit einem jungen, super talentierten Künstler in Hamburg eine Wand gesprüht. Das hat viel Spaß gemacht und hilft, den Kontakt zur jungen Szene zu behalten.
Peters: Auf diese Philosophie trifft man überall in der Szene. Man kann rund um die Welt reisen und trifft auf Graffitikünstler, die einen sofort unterstützen. Wir haben schon die aufregendsten Begegnungen mit Menschen gehabt. Mit der Kunst entsteht eine sehr starke Verbundenheit, die alle Grenzen überwindet.
Sie sind seit 25 Jahren als Graffiti-Künstler unterwegs. Wird das nicht irgendwann langweilig?
Zahlmann: Als ich vor 25 Jahren angefangen habe, haben alle in die Szene nach New York geblickt und dann so ähnliche Bilder gesprüht. Aber das möchte man nicht sein Leben lang tun. Jetzt decken wir eine große Bandbreite ab, so dass immer Abwechslung da ist. Mal macht man Leinwandarbeiten, mal Skulpturen, realisiert ein Wandmalprojekt oder schreibt ein Buch. Für uns ist Kunst kein Hobby, das man nach Feierabend betreibt. Wir machen das den ganzen Tag, seit Jahrzehnten und leben von unserer Kunst. Da kommt man natürlich auch auf Ideen, die andere nicht haben – und das wird nie langweilig.
Das Gespräch führte Silvia Zerbe.
Über die Künstler
Heiko Zahlmann
lebt und arbeitet in Hamburg und ist seit über 20 Jahren Graffiti-Künstler. 1999 gründete er mit zwei Partnern die Ateliergemeinschaft getting-up. Heute gestaltet er riesige Wandbilder im urbanen Raum, aber auch Skulpturen oder Reliefs. Seine Arbeiten wurden in namhaften Galerien ausgestellt.
Gerrit Peters
lebt und arbeitet seit 1997 in Hamburg und begann seine Karriere bereits in der deutschen Graffitiszene der späten 80er Jahre. Schnell entdeckte er den Großstadt-Raum und dessen vielfältige Potenziale als Inspiration für seine urbane Kunst. Er leitet Workshops zu Graffiti und Urban Art und arbeitet als Dozent und Referent an Museen und Universitäten.