Alkane, Laserblitze und BESSYs Röntgenblick

Molek&uuml;lstruktur des Sigma-Komplexes und sein niedrigstes unbesetztes Molek&uuml;lorbital.<br><br>

Molekülstruktur des Sigma-Komplexes und sein niedrigstes unbesetztes Molekülorbital.

© Raphael Jay

Raphael Jay aus der Universit&auml;t in Uppsala.</p>
<p>

Raphael Jay aus der Universität in Uppsala.

© Mikael Wallerstedt

Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, einen Zwischenschritt bei der Katalyse von Alkanen zu beobachten. Mit dem Verständnis dieser Reaktionen lassen sich in Zukunft bestehende Katalysatoren optimieren und neue finden, um zum Beispiel das Treibhausgas Methan in wertvolle Grundstoffe für die Industrie zu verwandeln.

Unsere Beziehung zum Methan ist zwiegespalten. Einerseits ist das leichteste Alkan ein hochpotentes Klimagas. Es heizt den Treibhauseffekt gut 28-mal stärker an als Kohlendioxid. Andererseits ist es aber auch ein interessanter Rohstoff. Nicht nur, um ihn in einer Gasheizung zu verbrennen. Denn ist die C-H-Bindung, also jene zwischen Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen, erst einmal geknackt, lassen sich aus dem Treibhausgas verschiedenste Grundstoffe für die Industrie herstellen.

Klingt eigentlich nach einer guten Lösung. Doch eben jene Bindung im Methan stellt Chemikern schon seit Jahrzehnten vor eine große Herausforderung: Sie ist eine der stärksten Bindungen in der Natur. Mit Katalysatoren gelingt es zwar schon länger, sie zu brechen. Wie das im Detail funktioniert, ist bis heute aber unklar.

Nun war ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftler*innen der Universität Uppsala zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der Universitäten Hamburg und Stockholm, des Max-Born-Instituts und des Helmholtz-Zentrum Berlin bei Zwischenstufen dieser Katalyse live dabei.

Schnappschüsse vom Sigma-Komplex

„Vor über fünfzig Jahren haben Forscher festgestellt, dass die C-H-Bindungen aufbrechen, wenn man spezielle Metallkatalysatoren hinzufügt und sie dann mit sichtbarem Licht bestrahlt“, erklärt der leitende Experimentator der Studie Raphael Jay von der Universität Uppsala. „Was dabei genau passiert, wie sich also die Alkanmoleküle den Metallkatalysatoren nähern und an ihnen hängen bleiben, war bis heute ein Rätsel.“

Dieses wollten die Forschungsteams lösen. Als Katalysator wählten sie Chromhexacarbonyl, ein hochsymmetrisches, gesättigtes und unreaktives System mit einem Chromatom im Zentrum. Das führt zwar nicht zur kompletten Aufspaltung der Alkane, aber zu einem wichtigen Zwischenschritt der Reaktion – der Bildung des Sigma-Komplexes. „Mit einem UV-Puls spalten wir eine Carbonylgruppe ab, sodass eine Art Öffnung entsteht“, erklärt Raphael Jay. „Das Metall wird hochreaktiv, will unbedingt etwas binden und fängt deshalb eine C-H-Gruppe ein. Die dockt als Ganzes an das Metallatom an. Das nennen wir den Sigma-Komplex.“

Die einzelnen Schritte vom Anknipsen des Lichtes bis zum fertigen Komplex haben er und sein Team im Laserlabor der Huse-Gruppe an der Universität Hamburg beobachtet. Mit optischen Lichtpulsen nahmen sie die Reaktion in ultrakurzen Schnappschüssen auf. Die zeigten, dass der Katalysator bereits nach weniger als 100 Femtosekunden aktiviert war. Das ist so kurz, dass selbst das Licht in dieser Zeit nur drei Hundertstel eines Millimeters vorankommt. Er wird dabei sehr heiß und seine Bestandteile schwingen um das Chromatom. Erst wenn die Schwingungen aufhören, kann sich das Alkan dem Katalysator nähern und den Sigma-Komplex bilden. Das geschieht in acht Pikosekunden – einer Zeitspanne, in der das Licht rund 2,4 Millimeter zurücklegt.

Röntgenstrahl und Flüssigkeitsscheibchen

„Mit der optischen Spektroskopie haben wir also die Schritte zum Sigma-Komplex nachverfolgt“, erzählt Raphael Jay. „Die entstandenen Bindungen wollten wir dann mit Röntgenstrahlen charakterisieren.“ Dazu kamen sie für ein weiteres Experiment ans HZB nach Berlin. Denn die Beamline UE52-SGM mit der Endstation AXSYS-NEXAFS BESSY II sei dafür einfach prädestiniert, meint der Physiker, der an dieser bereits für seine Dissertation forschte. „Mir ist kein anderes Synchrotron auf der Welt bekannt, wo es einen solchen Aufbau gibt, wie wir ihn gewählt haben“, sagt er.

Und tatsächlich hat es das Experiment in sich. Zuerst wählten die Forscher längerkettige Alkane, da diese im Gegensatz zu Methan unter normalen Umgebungsbedingungen flüssig sind. Das macht die Untersuchung mit dem Röntgenstrahl einfacher. Allerdings werden weiche Röntgenstrahlen vom Kohlenstoff in den Alkanen absorbiert. Die Lösung bestand aus zwei schräg nebeneinanderliegenden Düsen, die die Alkane mit dem Katalysator in die Experimentierkammer spritzten. „Wenn die beiden Flüssigkeitsstrahlen im Vakuum kollidieren, bilden sie eine hauchdünne Flüssigkeitsscheibe“, erklärt Mattis Fondell vom HZB-Institut Methoden und Instrumentierung der Forschung mit Synchrotronstrahlung, der den Aufbau des Experiments entwickelt hat. „Diese ist dünn genug, dass sie das weiche Röntgenlicht nicht vollständig absorbiert. Anhand der Stärke der Absorption für unterschiedliche Wellenlängen des Röntgenlichts können wir uns gezielt bestimmte chemische Bindungen in den Molekülen ansehen.“ Auf diese Weise tasteten die Forschenden den Sigma-Komplex in der Flüssigkeit mit hoher Empfindlichkeit ab und hielten fest, auf welche Weise sich die Bindung zwischen Metall und Alkan bildet.

„Als Nächstes wollen wir verstehen, wie die Struktur des Katalysators und das Metall in seinem Zentrum die Art und Weise beeinflussen, wie er angeschaltet wird und wie er mit Alkanen interagiert“, gibt Raphael Jay einen Ausblick. „Dies wird es ermöglichen, sein Verhalten bei Aktivierungsreaktionen von C-H-Bindungen besser zu steuern und anzupassen.“

 

Kai Dürfeld / Wissenschafts- und Technikjournalist

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Optische Innovationen für Solarmodule – Was bringt den Ausbau am meisten voran?
    Science Highlight
    28.03.2025
    Optische Innovationen für Solarmodule – Was bringt den Ausbau am meisten voran?
    Im Jahr 2023 erzeugten Photovoltaikanlagen weltweit mehr als 5% der elektrischen Energie und die installierte Leistung verdoppelt sich alle zwei bis drei Jahre. Optische Technologien können die Effizienz von Solarmodulen weiter steigern und neue Einsatzbereiche erschließen, etwa in Form von ästhetisch ansprechenden, farbigen Solarmodulen für Fassaden. Nun geben 27 Fachleute einen umfassenden Überblick über den Stand der Forschung und eine Einschätzung, welche Innovationen besonders zielführend sind. Der Bericht, der auch für Entscheidungsträger*innen in der Forschungsförderung interessant ist, wurde von Prof. Christiane Becker und Dr. Klaus Jäger aus dem HZB koordiniert.
  • Katalyseforschung mit dem Röntgenmikroskop an BESSY II
    Science Highlight
    27.03.2025
    Katalyseforschung mit dem Röntgenmikroskop an BESSY II
    Anders als in der Schule gelernt, verändern sich manche Katalysatoren doch während der Reaktion: So zum Beispiel können bestimmte Elektrokatalysatoren ihre Struktur und Zusammensetzung während der Reaktion verändern, wenn ein elektrisches Feld anliegt. An der Berliner Röntgenquelle BESSY II gibt es mit dem Röntgenmikroskop TXM ein weltweit einzigartiges Instrument, um solche Veränderungen im Detail zu untersuchen. Die Ergebnisse helfen bei der Entwicklung von innovativen Katalysatoren für die unterschiedlichsten Anwendungen. Ein Beispiel wurde neulich in Nature Materials publiziert. Dabei ging es um die Synthese von Ammoniak aus Abfallnitraten.
  • BESSY II: Magnetische „Mikroblüten“ verstärken Magnetfelder im Zentrum
    Science Highlight
    25.03.2025
    BESSY II: Magnetische „Mikroblüten“ verstärken Magnetfelder im Zentrum
    Eine blütenförmige Struktur aus einer Nickel-Eisen-Legierung, die nur wenige Mikrometer misst, kann Magnetfelder lokal verstärken. Der Effekt lässt sich durch die Geometrie und Anzahl der „Blütenblätter“ steuern. Das magnetische Metamaterial wurde von der Gruppe um Dr. Anna Palau am Institut de Ciencia de Materials de Barcelona (ICMAB) mit Partnern aus dem CHIST-ERA MetaMagIC-Projekts entwickelt und nun an BESSY II in Zusammenarbeit mit Dr. Sergio Valencia untersucht. Die Mikroblüten ermöglichen vielfältige Anwendungen: Sie können die Empfindlichkeit magnetischer Sensoren erhöhen, die Energie für die Erzeugung lokaler Magnetfelder reduzieren, und am PEEM-Messplatz an BESSY II die Messung von Proben unter deutlich höheren Magnetfeldern ermöglichen.