Theoretische Physik: Modellierung zeigt, welche Quantensysteme sich für Quantensimulationen eignen

Ultrakalte Atome in einem optischen Gitter zählen zu den betrachteten Quantensystemen.

Ultrakalte Atome in einem optischen Gitter zählen zu den betrachteten Quantensystemen. © arö/HZB

Eine gemeinsame Forschungsgruppe um Prof. Jens Eisert von der Freien Universität Berlin und des Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) hat einen Weg aufgezeigt, um die quantenphysikalischen Eigenschaften komplexer Festkörpersysteme zu simulieren. Und zwar mithilfe von komplexen Festkörpersystemen, die experimentell untersucht werden können. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht.

„Das eigentliche Ziel ist ein robuster Quantencomputer, der auch bei Fehlern stabile Ergebnisse erzeugt und diese Fehler korrigiert“, erklärt Jens Eisert, Professor an der Freien Universität Berlin und Leiter einer gemeinsamen Forschungsgruppe am HZB. Bislang ist die Entwicklung robuster Quantencomputer noch in weiter Ferne, denn Quantenbits reagieren extrem empfindlich auf kleinste Schwankungen der Umgebungsparameter. Doch nun könnte ein neuer Ansatz Erfolg versprechen:

Reale Systeme nutzen

Eine Postdoktorandin und ein Postdoktorand aus der Gruppe um Jens Eisert, Maria Laura Baez und Marek Gluza, haben eine Idee von Richard Feynman aufgegriffen, einem genialen US-amerikanischen Physiker der Nachkriegszeit. Feynman hatte vorgeschlagen, reale Systeme aus Atomen mit ihren quantenphysikalischen Eigenschaften für die Simulation anderer Quantensysteme heranzuziehen. Diese Quantensysteme können aus perlenkettenartig aufgereihten Atomen mit besonderen Spin-Eigenschaften bestehen, geeignet aber wären aber auch Ionenfallen, Rydbergatome, supraleitende Qbits oder Atome in optischen Gittern. Gemeinsam ist ihnen, dass man sie im Labor erzeugen und auch kontrollieren kann. Ihre quantenphysikalischen Eigenschaften könnten dazu herangezogen werden, um das Verhalten anderer Quantensysteme vorherzusagen. Doch welche Quantensysteme wären gute Kandidaten? Gibt es eine Möglichkeit, dies vorab herauszufinden?

Strukturfaktor als Werkzeug

Das Team um Eisert hat diese Frage nun mit einer Kombination aus mathematischen und numerischen Methoden untersucht. Tatsächlich zeigte die Gruppe, dass der sogenannte dynamische Strukturfaktor solcher Systeme ein mögliches Werkzeug ist, um Aussagen über andere Quantensysteme zu treffen. Dieser Faktor bildet indirekt ab, wie sich Spins oder andere Quantengrößen mit der Zeit verhalten, er wird durch eine Fouriertransformation errechnet.

Brücke zwischen Festkörperphysik und Quanteninformatik

„Diese Arbeit schlägt eine Brücke zwischen zwei Welten“, erklärt Jens Eisert. „Da ist zum einen die Gemeinschaft der Kondensierten Materie, die Quantensysteme untersucht und die daraus neue Erkenntnisse gewinnt – und zum anderen die Quanteninformatik – die sich mit Quanteninformation befasst. Wir glauben, dass große Fortschritte möglich werden, wenn wir die beiden Welten zusammenbringen“, sagt der Wissenschaftler.

arö


Das könnte Sie auch interessieren

  • Kleine Kraftpakete für ganz besonderes Licht
    Science Highlight
    27.06.2024
    Kleine Kraftpakete für ganz besonderes Licht
    Ein internationales Forschungsteam stellt in Nature Communications Physics das Funktionsprinzip einer neuen Quelle für Synchrotronstrahlung vor. Durch Steady-State-Microbunching (SSMB) sollen in Zukunft effiziente und leistungsstarke Strahlungsquellen für kohärente UV-Strahlung möglich werden. Das ist zum Beispiel für Anwendungen in der Grundlagenforschung, aber auch der Halbleiterindustrie sehr interessant.
  • Neue Methode zur Absorptionskorrektur für bessere Zahnfüllungen
    Science Highlight
    24.06.2024
    Neue Methode zur Absorptionskorrektur für bessere Zahnfüllungen
    Ein Team um Dr. Ioanna Mantouvalou hat eine Methode entwickelt, um die Verteilung von chemischen Elementen in Dentalmaterialien präziser als bisher möglich darzustellen. Die konfokale mikro-Röntgenfluoreszenzanalyse (micro-XRF) liefert dreidimensional aufgelöste Elementbilder, die Verzerrungen enthalten. Sie entstehen, wenn Röntgenstrahlen Materialien unterschiedlicher Dichte und Zusammensetzung durchdringen. Mit Mikro-CT-Daten, die detaillierte 3D-Bilder der Materialstruktur liefern, und chemischen Informationen aus Röntgenabsorptionsspektroskopie (XAS) - Experimenten im Labor (BLiX, TU Berlin) und an der Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II haben die Forschenden das Verfahren nun verbessert.
  • MXene als Energiespeicher: Chemische Bildgebung blickt nun tiefer
    Science Highlight
    17.06.2024
    MXene als Energiespeicher: Chemische Bildgebung blickt nun tiefer
    Eine neue Methode in der Spektromikroskopie verbessert die Untersuchung chemischer Reaktionen auf der Nanoskala, sowohl auf Oberflächen als auch im Inneren von Schichtmaterialien. Die Raster-Röntgenmikroskopie (SXM) an der MAXYMUS-Beamline von BESSY II ermöglicht den hochsensitiven Nachweis von chemischen Gruppen, die an der obersten Schicht (Oberfläche) adsorbiert oder in der MXene-Elektrode (Volumen) eingelagert sind. Die Methode wurde von einem HZB-Team unter der Leitung von Dr. Tristan Petit entwickelt. Das Team demonstrierte die Methode nun an MXene-Flocken, einem Material, das als Elektrode in Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt wird.