Rhomboedrischer Graphit als Modell für Quantenmagnetismus

Rhomboedrischer Graphit besteht aus leicht gegeneinander verschobenen Graphen-Schichten. 

Rhomboedrischer Graphit besteht aus leicht gegeneinander verschobenen Graphen-Schichten.  © 10.1126/sciadv.abo6879

<p class="Default">Auf der Oberfl&auml;che von rhomboedrischem Graphit k&ouml;nnen sich Elektronen in 2D frei bewegen. Visualisiert wird dies hier durch die roten Kugeln um die Kohlenstoff-Atome der obersten Graphen-Lage.

Auf der Oberfläche von rhomboedrischem Graphit können sich Elektronen in 2D frei bewegen. Visualisiert wird dies hier durch die roten Kugeln um die Kohlenstoff-Atome der obersten Graphen-Lage.

Graphen ist ein äußerst spannendes Material. Nun zeigt eine Graphen-Variante ein weiteres Talent: Rhomboedrischer Graphit aus mehreren, leicht gegeneinander versetzten Schichten könnte die verborgene Physik in Quantenmagneten aufklären.

Graphen-Materialien bestehen nur aus Kohlenstoffatomen, die Grundform ist eine einlagige Bienenwabenstruktur. Aber es gibt einige Varianten mit erstaunlich vielseitigen Eigenschaften. So können beispielsweise Stapel von Graphenschichten* eine Vielzahl von Quasiteilchen und Vielteilchenphänomenen beherbergen: Von Dirac-Fermionen in Einzelschichten bis hin zu exotischer Supraleitfähigkeit in verdrillten Doppelschichten.

Freie Ladungsträger an der Oberfläche

In rhomboedrischem Graphit (RG) sind die wabenförmigen Schichten mit einem bestimmten Versatz übereinander gestapelt. Dies führt zu einer besonderen elektronischen Struktur mit sehr flachen Bändern an der Oberfläche. Wie in einem topologischen Isolator bewegen sich die Ladungsträger nur an der Oberfläche frei.

Letztes Jahr wurde gezeigt, dass Dreischichten aus RG auch Ferromagnetismus und unkonventionelle Supraleitung aufweisen. Und: Die Stärke der Wechselwirkungen nimmt mit der Anzahl der Schichten zu.

Experimentelle und theoretische Analysen

Ein Team vom Zentrum für Energieforschung, Budapest, Ungarn und am HZB hat nun erstmals die Oberfläche von mehrschichtigen RG-Proben unter einem Rastertunnelmikroskop untersucht. Sie konnten die Bandstruktur und die elektronischen Eigenschaften präzise abbilden und entdeckten unerwartet reiche Vielteilchen-Grundzustände. Zudem arbeiteten sie mit verschiedenen Modellen der Quantenphysik, um verborgene Prozesse und Wechselwirkungen in den Proben zu verstehen. 

Bezug zu Quantenmagnetismus

"Das Interessante an rhomboedrischem Graphit ist, dass dieses Material auch sogenannte Spin-Kanten-Zustände aufweist, die in Quantenmagneten vorkommen. Die Arbeit verbindet somit zwei wichtige Bereiche der kondensierten Materie: Graphen-basierte Systeme und Quantenmagnete", sagt Dr. Imre Hagymási, Erstautor der Arbeit, die jetzt in Science Advances erschienen ist.

Ein flexibles Modellsystem

Die Studie bietet neue Einblicke in das Zusammenspiel von Topologie und Vielteilchenphysik und damit die Chance, die Physik in Quantenmagneten zu erhellen. Derzeit sind selbst einfache Quantenmagnete noch nicht vollständig verstanden. Quantenmagnete spielen aber auch bei hochaktuellen Themen wie den Hochtemperatur-Kuprat-Supraleitern eine Rolle. RG bietet eine alternative Plattform für die Untersuchung solcher korrelierter Phänomene. Eine Plattform, die durch elektrische Felder, Dehnung usw. einstellbar ist und im Vergleich zu anderen korrelierten Materialien eine sehr einfache Kristallstruktur aufweist. "Diese Ergebnisse sind wirklich hilfreich für das gesamte Forschungsgebiet", sagt Hagymási.

*Anmerkung:  Graphen besteht eigentlich nur aus einer einzigen Lage von vernetzten Kohlenstoff-Atomen , mehrere Lagen solcher Graphen-Schichten werden als Graphit bezeichnet.

 

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Grüner Wasserstoff: Käfigstruktur verwandelt sich in effizienten Katalysator
    Science Highlight
    17.04.2025
    Grüner Wasserstoff: Käfigstruktur verwandelt sich in effizienten Katalysator
    Clathrate zeichnen sich durch eine komplexe Käfigstruktur aus, die auch Platz für Gast-Ionen bietet. Nun hat ein Team erstmals untersucht, wie gut sich Clathrate als Katalysatoren für die elektrolytische Wasserstoffproduktion eignen. Das Ergebnis: Effizienz und Robustheit sind sogar besser als bei den aktuell genutzten Nickel-basierten Katalysatoren. Dafür fanden sie auch eine Begründung. Messungen an BESSY II zeigten, dass sich die Proben während der katalytischen Reaktion strukturell verändern: Aus der dreidimensionalen Käfigstruktur bilden sich ultradünne Nanoblätter, die maximalen Kontakt zu aktiven Katalysezentren ermöglichen. Die Studie ist in „Angewandte Chemie“ publiziert.
  • Elegantes Verfahren zum Auslesen von Einzelspins über Photospannung
    Science Highlight
    14.04.2025
    Elegantes Verfahren zum Auslesen von Einzelspins über Photospannung
    Diamanten mit spezifischen Defekten können als hochempfindliche Sensoren oder Qubits für Quantencomputer genutzt werden. Die Quanteninformation wird dabei im Elektronenspin-Zustand der Defekte gespeichert. Allerdings müssen die Spin-Zustände bislang optisch ausgelesen werden, was extrem aufwändig ist. Nun hat ein Team am HZB eine elegantere Methode entwickelt, um die Quanteninformation über eine Photospannung auszulesen. Dies könnte ein deutlich kompakteres Design von Quantensensoren ermöglichen.
  • Solarzellen auf Mondglas für eine zukünftige Basis auf dem Mond
    Science Highlight
    07.04.2025
    Solarzellen auf Mondglas für eine zukünftige Basis auf dem Mond
    Zukünftige Mondsiedlungen werden Energie benötigen, die Photovoltaik liefern könnte. Material in den Weltraum zu bringen, ist jedoch teuer – ein Kilogramm zum Mond zu transportieren, kostet eine Million Euro. Doch auch auf dem Mond gibt es Ressourcen, die sich nutzen lassen. Ein Forschungsteam um Dr. Felix Lang, Universität Potsdam, und Dr. Stefan Linke, Technische Universität Berlin, haben nun das benötigte Glas aus „Mondstaub“ (Regolith) hergestellt und mit Perowskit beschichtet. Damit ließe sich bis zu 99 Prozent des Gewichts einsparen, um auf dem Mond PV-Module zu produzieren. Die Strahlenhärte konnte das Team am Protonenbeschleuniger des HZB getestet.