Festkörperphysik: Vorhersage der Quantenphysik experimentell nachgewiesen

<p class="western">Im Grundzustand sind die magnetischen Momente entweder auf- oder abw&auml;rts gerichtet, die zum &auml;u&szlig;eren Magnetfeld antiparallelen Spins (rot) sind nie zusammen (rechts). Durch Anregung k&ouml;nnen sich weitere Spins antiparallel ausrichten und Bethe-Ketten entstehen (wei&szlig;e Spins, links).

Im Grundzustand sind die magnetischen Momente entweder auf- oder abwärts gerichtet, die zum äußeren Magnetfeld antiparallelen Spins (rot) sind nie zusammen (rechts). Durch Anregung können sich weitere Spins antiparallel ausrichten und Bethe-Ketten entstehen (weiße Spins, links). © HZB

Vor 90 Jahren postulierte der Physiker Hans Bethe, dass in bestimmten magnetischen Festkörpern ungewöhnliche Muster auftreten. Nun ist es einem internationalen Team gelungen, solche Bethe-Strings erstmals experimentell nachzuweisen. Sie führten Neutronenstreuexperimente an verschiedenen Neutronenquellen durch, darunter auch Messungen am einzigartigen Hochfeldmagneten des BER II* am HZB. Die experimentellen Daten sind in hervorragender Übereinstimmung mit der theoretischen Vorhersage von Bethe und beweisen einmal mehr die Leistungsfähigkeit der Quantenphysik.

Die regelmäßige Anordnung der Atome in einem Kristall ermöglicht komplexe Wechselwirkungen, die zu neuen Materiezuständen führen können. So gibt es auch Kristalle, die zwar räumlich dreidimensional sind, aber nur entlang einer Richtung magnetische Wechselwirkungen aufweisen, so dass sie magnetisch eindimensional sind. Zeigen aufeinanderfolgende magnetische Momente in entgegengesetzte Richtungen, dann haben wir es mit einem eindimensionalen Antiferromagneten zu tun. Hans Bethe beschrieb dieses System erstmals 1931 theoretisch. Dabei folgerte er aus seiner Modellierung auch, dass es möglich sein müsse, durch Energiezufuhr auch Ketten von zwei oder mehr magnetischen Momenten zu erzeugen, die in eine Richtung zeigen. Diese Ketten nannte man Bethe-Strings.

Experimenteller Nachweis von Bethe-Strings

Diese Bethe-Strings lassen sich unter „normalen“ Bedingungen nicht beobachten, sie sind instabil und werden durch andere Merkmale des Systems verdeckt. Nun gelang es einer internationalen Kooperation um die HZB-Physikerin Prof. Bella Lake, durch Anlegen eines starken äußeren Magnetfeldes diese Bethe-Strings zu isolieren und experimentell sichtbar zu machen.

1D-Antiferromagnet untersucht

Zunächst stellte ein Experte aus dem Lake-Team Kristalle aus SrCo2V2O8 her, einem eindimensionalen Antiferromagnetikum, das als Modellsystem dient. Nur die Kobaltatome haben magnetische Momente, sie richten sich alle nur entlang einer Kristallachse aus, wobei sich benachbarte Momente gegenseitig aufheben.

Messungen am Hochfeldmagnet am BER II

An der Berliner Neutronenquelle BER II konnte die Probe mit Neutronen unter extrem hohen Magnetfeldern bis zu 25,9 Tesla untersucht werden. Aus den Daten erhielten die Physiker ein Phasendiagramm der Probe als Funktion des Magnetfeldes sowie weitere Informationen über die inneren magnetischen Muster. Diese konnten sie mit den Voraussagen von Bethe vergleichen, die von einer theoretischen Gruppe unter der Leitung von Jianda Wu quantifiziert wurden.

Experimentelle Daten passen gut zur Theorie

"Die experimentellen Daten sind in hervorragender Übereinstimmung mit der Theorie", sagt Bella Lake. "Wir konnten zwei und sogar drei Ketten von Bethe-Strings eindeutig identifizieren und ihre Energieabhängigkeit bestimmen. Diese Ergebnisse zeigen uns einmal mehr, wie gut Quantenphysik experimentelle Ergebnisse erklären kann."

Nature Physics (2020): Dispersions of Many-Body Bethe Strings Anup Kumar Bera, Jianda Wu, Wang Yang, Robert Bewley, Martin Boehm, Jianhui Xu, Maciej Bartkowiak, Oleksandr Prokhnenko, Bastian Klemke, A. T. M. Nazmul Islam, Joseph Mathew Law, Zhe Wang and Bella Lake

DOI: 10.1038/s41567-020-0835-7

* Die Berliner Neutronenquelle wurde im Dezember nach 46 Jahren erfolgreichen Betriebs 2019 planmäßig abgeschaltet. Bis dahin wurde die Messzeit optimal für die Forschung genutzt.

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Neues Instrument bei BESSY II: Die OÆSE-Endstation in EMIL
    Science Highlight
    23.04.2025
    Neues Instrument bei BESSY II: Die OÆSE-Endstation in EMIL
    An BESSY II steht nun ein neues Instrument zur Untersuchung von Katalysatormaterialien, Batterieelektroden und anderen Energiesystemen zur Verfügung: die Operando Absorption and Emission Spectroscopy on EMIL (OÆSE) Endstation im Energy Materials In-situ Laboratory Berlin (EMIL). Ein Team um Raul Garcia-Diez und Marcus Bär hat die Leistungsfähigkeit des Instruments an elektrochemisch abgeschiedenem Kupfer demonstriert.
  • Grüner Wasserstoff: Käfigstruktur verwandelt sich in effizienten Katalysator
    Science Highlight
    17.04.2025
    Grüner Wasserstoff: Käfigstruktur verwandelt sich in effizienten Katalysator
    Clathrate zeichnen sich durch eine komplexe Käfigstruktur aus, die auch Platz für Gast-Ionen bietet. Nun hat ein Team erstmals untersucht, wie gut sich Clathrate als Katalysatoren für die elektrolytische Wasserstoffproduktion eignen. Das Ergebnis: Effizienz und Robustheit sind sogar besser als bei den aktuell genutzten Nickel-basierten Katalysatoren. Dafür fanden sie auch eine Begründung. Messungen an BESSY II zeigten, dass sich die Proben während der katalytischen Reaktion strukturell verändern: Aus der dreidimensionalen Käfigstruktur bilden sich ultradünne Nanoblätter, die maximalen Kontakt zu aktiven Katalysezentren ermöglichen. Die Studie ist in „Angewandte Chemie“ publiziert.
  • Elegantes Verfahren zum Auslesen von Einzelspins über Photospannung
    Science Highlight
    14.04.2025
    Elegantes Verfahren zum Auslesen von Einzelspins über Photospannung
    Diamanten mit spezifischen Defekten können als hochempfindliche Sensoren oder Qubits für Quantencomputer genutzt werden. Die Quanteninformation wird dabei im Elektronenspin-Zustand der Defekte gespeichert. Allerdings müssen die Spin-Zustände bislang optisch ausgelesen werden, was extrem aufwändig ist. Nun hat ein Team am HZB eine elegantere Methode entwickelt, um die Quanteninformation über eine Photospannung auszulesen. Dies könnte ein deutlich kompakteres Design von Quantensensoren ermöglichen.