Neutronentomographie: Einblick ins Innere von Zähnen, Wurzelballen, Batterien und Brennstoffzellen

Auch Fossilien wie dieser 250 Mio. Jahre alte Lystrosaurus-Schädel lassen sich mit Neutronentomographie zerstörungsfrei untersuchen.

Auch Fossilien wie dieser 250 Mio. Jahre alte Lystrosaurus-Schädel lassen sich mit Neutronentomographie zerstörungsfrei untersuchen. © MfN Berlin

Neutronentomographie zeigt, wie sich nach Torsion (links) oder Zugspannung (rechts) verschiedene Kristallphasen im Material verteilen.

Neutronentomographie zeigt, wie sich nach Torsion (links) oder Zugspannung (rechts) verschiedene Kristallphasen im Material verteilen. © HZB/Wiley VCH

Zeitaufgel&ouml;ste Tomographie einer Lupinenwurzel (gelbgr&uuml;n), nachdem deuteriertes Wasser (D<sub>2</sub>O) von unten zugegeben wurde. Der Zeitverlauf zeigt, wie das Wasser (H<sub>2</sub>O, dunkelblau) durch das D<sub>2</sub>O von unten verdr&auml;ngt wird. &copy;Christian T&ouml;tzke/ University of Potsdam

Zeitaufgelöste Tomographie einer Lupinenwurzel (gelbgrün), nachdem deuteriertes Wasser (D2O) von unten zugegeben wurde. Der Zeitverlauf zeigt, wie das Wasser (H2O, dunkelblau) durch das D2O von unten verdrängt wird. ©Christian Tötzke/ University of Potsdam

Einen umfassenden Überblicksbeitrag über bildgebende Verfahren mit Neutronen hat ein Team am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und der Europäischen Spallationsquelle ESS im renommierten Fachjournal Materials Today (Impaktfaktor 21,6) publiziert.  Die Autoren berichten über die neuesten Entwicklungen in der Neutronentomographie. An Beispielen zeigen sie die Einsatzmöglichkeiten dieser zerstörungsfreien Methode auf. Neutronentomographien haben Durchbrüche in der Zahnmedizin, Kunstgeschichte, Pflanzenphysiologie, Paläobiologie, Batterieforschung oder Werkstoffanalyse ermöglicht.

Neutronen dringen tief ins Innere der Probe ein, ohne sie dabei zu zerstören. Darüber hinaus unterscheiden Neutronen auch leichte Elemente wie Wasserstoff, Lithium oder Wasserstoff-haltige Substanzen voneinander. Weil sie selbst ein magnetisches Moment besitzen, reagieren sie auf kleinste magnetische Strukturen im Materialinnern. Dies macht Neutronen zu einem vielseitigen und mächtigen Werkzeug für die Materialforschung. Aus der Absorption der Neutronen in der Probe lassen sich 2D- oder 3D-Abbildungen errechnen, sogenannte Neutronentomographien. An der Neutronenquelle des HZB, dem BER II, arbeitet ein weltweit renommiertes Team um Dr. Nikolay Kardjilov und Dr. Ingo Manke daran, die Methoden der Neutronentomographien stetig zu erweitern und zu verbessern.

In ihrem Übersichtsbeitrag beschreiben die Autoren die neuesten Verbesserungen in der Neutronenbildgebung und stellen herausragende Anwendungen vor. Verbesserungen in den letzten Jahren haben die räumliche Auflösung bis in den Mikrometerbereich gesteigert. Das ist mehr als zehnmal genauer als medizinische Röntgentomographien. Auch sind nun raschere Aufnahmen möglich, was es auch erlaubt, Prozesse in Materialien zu beobachten: Ein Beispiel sind  die „in operando“-Messungen einer Brennstoffzelle im laufenden Betrieb, die zeigen, wie genau sich Wasser in der Brennstoffzelle verteilt. Dies liefert wichtige Hinweise für das optimale Design der Zelle.

Die Einsatzmöglichkeiten reichen von der Beobachtung des Lithium-Ionentransports in Batterien und Festigkeitsanalysen von Industriekomponenten über Untersuchungen an Zähnen oder Knochen oder dem Wurzelwerk von Pflanzen bis hin zur zerstörungsfreien Analyse von historischen Objekten wie alten Schwertern und Ritterrüstungen, um Hinweise auf Fertigungsmethoden früherer Zeiten zu erhalten.

“Die Neutronentomographie ist extrem vielseitig nutzbar. Wir arbeiten daran, weitere Verbesserungen zu erreichen, und hoffen, dass diese stark nachgefragte Methode künftig auch an modernen Spallationsquellen zur Verfügung steht“, sagt Nikolay Kardjilov.


Zur Publikation: Materials Today 2018: “Advances in neutron imaging”, Nikolay Kardjilov, Ingo Manke, Robin Woracek, André Hilger, John Banhart

DOI: 10.1016/j.mattod.2018.03.001


Lesetipp: Über die Forschung an Schwertern und Ritterhelmen berichten wir im Campusblog

 

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Neues Instrument bei BESSY II: Die OÆSE-Endstation in EMIL
    Science Highlight
    23.04.2025
    Neues Instrument bei BESSY II: Die OÆSE-Endstation in EMIL
    An BESSY II steht nun ein neues Instrument zur Untersuchung von Katalysatormaterialien, Batterieelektroden und anderen Energiesystemen zur Verfügung: die Operando Absorption and Emission Spectroscopy on EMIL (OÆSE) Endstation im Energy Materials In-situ Laboratory Berlin (EMIL). Ein Team um Raul Garcia-Diez und Marcus Bär hat die Leistungsfähigkeit des Instruments an elektrochemisch abgeschiedenem Kupfer demonstriert.
  • Grüner Wasserstoff: Käfigstruktur verwandelt sich in effizienten Katalysator
    Science Highlight
    17.04.2025
    Grüner Wasserstoff: Käfigstruktur verwandelt sich in effizienten Katalysator
    Clathrate zeichnen sich durch eine komplexe Käfigstruktur aus, die auch Platz für Gast-Ionen bietet. Nun hat ein Team erstmals untersucht, wie gut sich Clathrate als Katalysatoren für die elektrolytische Wasserstoffproduktion eignen. Das Ergebnis: Effizienz und Robustheit sind sogar besser als bei den aktuell genutzten Nickel-basierten Katalysatoren. Dafür fanden sie auch eine Begründung. Messungen an BESSY II zeigten, dass sich die Proben während der katalytischen Reaktion strukturell verändern: Aus der dreidimensionalen Käfigstruktur bilden sich ultradünne Nanoblätter, die maximalen Kontakt zu aktiven Katalysezentren ermöglichen. Die Studie ist in „Angewandte Chemie“ publiziert.
  • Elegantes Verfahren zum Auslesen von Einzelspins über Photospannung
    Science Highlight
    14.04.2025
    Elegantes Verfahren zum Auslesen von Einzelspins über Photospannung
    Diamanten mit spezifischen Defekten können als hochempfindliche Sensoren oder Qubits für Quantencomputer genutzt werden. Die Quanteninformation wird dabei im Elektronenspin-Zustand der Defekte gespeichert. Allerdings müssen die Spin-Zustände bislang optisch ausgelesen werden, was extrem aufwändig ist. Nun hat ein Team am HZB eine elegantere Methode entwickelt, um die Quanteninformation über eine Photospannung auszulesen. Dies könnte ein deutlich kompakteres Design von Quantensensoren ermöglichen.