Dehnen und Lockern! – Verlust eines Elektrons schaltet Magnetismus in Chromdimer an
Ein internationales Forschungsteam aus Berlin, Freiburg und Fukuoka, Japan, hat erstmals einen direkten experimentellen Einblick in das geheime Quantenleben des Chromdimers gewonnen: Das Molekül aus zwei Chrom-Atomen besitzt zwölf Valenzelektronen, die eine enge Sechsfachbindung zwischen den beiden Atomen gewährleisten. Die Abspaltung von nur einem einzigen Elektron verändert diese Situation dramatisch: Zehn Elektronen lokalisieren sich und richten ihre Spins parallel aus, so dass das Chromdimer-Kation ferromagnetisch wird. Für die molekulare Bindung sorgt dann nur noch ein einziges Elektron. Die Forscher nutzten ein einzigartiges Instrument, die Nanocluster Trap an BESSY II am Helmholtz-Zentrum Berlin, und haben ihre Ergebnisse in der Zeitschrift Angewandte Chemie veröffentlicht.
Das Team untersuchte Cr2+ -Ionen bei 18 K in einer sogenannten Tieftemperatur-Ionenfalle mit zirkular polarisiertem Röntgenlicht und maß dabei den Effekt des sogenannten magnetischen Dichroismus. „Wir haben einen dramatischen Effekt gemessen und das zeigt uns, wie enorm sich der Magnetismus in den Kationen von dem des Dimers unterscheidet“, erklärt Projektleiter Tobias Lau vom HZB. Dieser Effekt zeigt direkt die Lokalisierung der Valenzelektronen und die Kopplung der einzelnen Spins untereinander. Für ihr Experiment nutzten die Forscher eine einzigartige Nanocluster-Fallen-Experimentierstation an der Beamline UE52-PGM an BESSY II.
Valenzelektronen spielen „Reise nach Jerusalem“
Obwohl bei der Ionisation von Cr2 nur eines von insgesamt zwölf Valenzelektronen entfernt wird, reagiert das Molekül dramatisch: „Man könnte das mit der Reise nach Jerusalem vergleichen, dabei wären die Elektronen mit Spieler und die Atome die Stühle“, meint Lau: „während vorher alle zwölf Spieler um die beiden Stühle wild durcheinander wandern, setzen sich, sobald ein Spieler ausscheidet, plötzlich je fünf Spieler auf einen Stuhl und nur noch einer wandert weiter und passt dabei auch noch auf, dass die, die sich auf die Stühle gesetzt haben, alle in eine Richtung schauen.“
Tatsächlich, das zeigt das Experiment, werden die zehn 3d-Elektronen lokalisiert und ihre Spins maximal gekoppelt. Dadurch stellt sich die magnetische Ordnung komplett um: während Cr2 ein Antiferromagnet ist (alle magnetischen Momente heben sich gegenseitig auf) richten sich die Spins der lokalisierten Elektronen im Cr2+ -Kation parallel zueinander aus, das Kation ist ferromagnetisch. „Diese besondere Spin-Anordnung lässt sich als Ergebnis von indirekten Austausch-Kopplungen interpretieren, dabei kommunizieren die zwei Gruppen von lokalisierten Elektronen miteinander über ein einziges Bindungs-Elektron, das wie ein Botschafter die parallele Ausrichtung der Spins kontrolliert“, erklärt Vicente Zamudio-Bayer, der diese Experimente in seiner Promotion an der TU Berlin am HZB durchführte und nun als Postdoc an der Universität Freiburg das Thema weiterverfolgt.
Bindungsenergie der Kationen
Während im neutralen Molekül alle zwölf Valenzelektronen an den Bindungen teilnehmen und dadurch eine kurze und ungewöhnliche Sechsfachbindung schaffen, ist das Kation nur durch ein einziges Elektron verbunden und das mit einer doppelt so langen Bindungsabstand, aber fast der gleichen Bindungsenergie. Diese komplett unterschiedliche Bindungssituation führt zu einer fragilen und untypisch schwachen Bindung von Chromdimer-Kationen.
Durch Kombination ihrer Ergebnisse mit früheren Resultaten können die Wissenschaftler nun sogar die relativen Energien der angeregten Zustände angeben, die bislang viel Verwirrung bei der korrekten Beschreibung der molekularen Kationen geschaffen haben. Dies wird künftig theoretische Ansätze sehr erleichtern.
Das Experiment, mit dem die Ergebnisse erzielt werden konnten, wird gemeinsam durch HZB Universität Freiburg und Kyushu University, Fukuoka, Japan betrieben. Es ist gegenwärtig der einzige experimentelle Aufbau weltweit, der die Möglichkeit bietet, mit Röntgenspektroskopie Proben von ultrageringer Dichte, von Gasen, Ionen, Clustern und Komplexen bei tiefen Temperaturen und unter starkem Magnetfeld (bis 5 Tesla) zu untersuchen. Dieses einzigartige Instrument bei BESSY II wird aktuell erweitert durch ein BMBF-gefördertes Projekt der Universität Freiburg, um bei noch tieferer Temperatur mit noch höherer Messgenauigkeit Proben untersuchen zu können.
Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift Angewandte Chemie International Edition publiziert, dazu gibt es auch eine deutsche Fassung hier in Angewandte Chemie mit der DOI: 10.1002/anie.201411018