HZB-Forscher stoßen Tor für die Festkörperphysik auf

An einem Siliziumkristall haben die Forscher gezeigt, wie man inelastische R&ouml;ntgenstreuung verst&auml;rken kann, bei der eine Frequenzverschiebung stattfindet.<br>&copy;HZB/E. Strickert

An einem Siliziumkristall haben die Forscher gezeigt, wie man inelastische Röntgenstreuung verstärken kann, bei der eine Frequenzverschiebung stattfindet.
©HZB/E. Strickert

Laserprozesse jetzt auch mit Röntgenstrahlen am Festkörper beobachtet

Die physikalische Grundlagenforschung wäre ohne die Vielzahl der heute verwendeten Röntgenmethoden nicht mehr denkbar. In der Festkörperphysik werden sie genutzt, bei biologischen Strukturuntersuchungen ebenfalls, und sogar Kunsthistoriker verdanken den Röntgenstrahlen viele Erkenntnisse. Nun haben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) eine weitere Anwendungsoption erschlossen. Ein Team um Dr. Martin Beye und Prof. Alexander Föhlisch hat gezeigt, dass Feststoffe auch für Röntgenmessungen zugänglich sind, die auf nichtlinearen physikalischen Effekten beruhen. Bislang war dies nur bei Messungen mit Laserlicht möglich. Sie veröffentlichen ihre Arbeit in der online vorab erscheinenden Ausgabe der Zeitschrift Nature (DOI: 10.1038/nature12449). Ihre Ergebnisse können Einfluss darauf haben, wie neue Röntgenquellen zukünftig konstruiert sein müssen.  

So genannte nichtlineare Effekte sind die Grundlage der kompletten Laserphysik. Für Röntgenuntersuchungen schienen sie bislang nicht nutzbar zu sein. Die Physik, die den Röntgenmethoden bisher zugrunde liegt, basiert ausschließlich auf linearen Effekten. Das heißt, wenn die Strahlung auf ein Untersuchungsobjekt trifft, arbeitet jedes Lichtteilchen - das Photon - für sich alleine.

Anders bei Lasern. Die Energie- und Leistungsdichte von eingestrahltem Laserlicht kann so hoch werden, dass die Photonen zusammenarbeiten und beim Wechselwirken mit Materie nichtlineare Effekte auftreten. Dies hat zur Folge, dass Materialien bestimmte Farben des Lichts extrem verstärken. Mit anderen Worten: man bestrahlt einen Kristall mit grünem Licht, das ausgesendete Licht ist rot. Die ausgesendete Farbe kann dabei sehr genau mit Struktureigenschaften des untersuchten Stoffes korreliert werden.

Dass man solche Effekte nun auch mit weicher Röntgenstrahlung erzielen kann und Feststoffe diesem Messprinzip zugänglich sind, hat die Gruppe um Alexan¬der Föhlisch vom HZB nun mit Experimenten an der Hamburger Kurzpulsquelle FLASH am DESY nachgewiesen. „Der Wirkungsgrad von inelastischen Streuprozessen mit weicher Röntgenstrahlung ist normalerweise schlecht“, erläutert Martin Beye, der Erstautor der vorliegenden Arbeit: „Mit unserem Experiment zeigen wir, wie man inelastische Röntgenstreuung geschickt verstärken kann. Ähnlich wie beim Laser arbeiten alle Photonen zusammen und verstärken sich gegenseitig. Wir erhalten so ein sehr hohes Messsignal.“

Mit solchen Aufbauten an Röntgenquellen können zukünftig inelastische Röntgenstreuprozesse effizient genutzt werden, etwa um sehr schnelle Prozesse zu analysieren und zu verstehen. Zum Beispiel das Aufbrechen und Entstehen chemischer Bindungen, Anregungen in Quantenmaterialien (zum Beispiel Supraleitern) sowie ultraschnelle Schaltprozesse.

„Heutige Röntgenquellen sind für die Anwendung von stimulierter inelastischer Streuung gar nicht optimiert“, sagt Alexander Föhlisch. „Mit dem jetzt vorliegenden Ergebnis wissen wir, dass wir auch mit weicher Röntgenstrahlung nichtlineare Effekte nutzen können. Wir brauchen dafür Photonenquellen, die schnell hintereinander kurze Lichtpulse liefern können. Dies gilt es bei der Entwicklung zukünftiger Photonenquellen zu berücksichtigen.“


Das könnte Sie auch interessieren

  • Kleine Kraftpakete für ganz besonderes Licht
    Science Highlight
    27.06.2024
    Kleine Kraftpakete für ganz besonderes Licht
    Ein internationales Forschungsteam stellt in Nature Communications Physics das Funktionsprinzip einer neuen Quelle für Synchrotronstrahlung vor. Durch Steady-State-Microbunching (SSMB) sollen in Zukunft effiziente und leistungsstarke Strahlungsquellen für kohärente UV-Strahlung möglich werden. Das ist zum Beispiel für Anwendungen in der Grundlagenforschung, aber auch der Halbleiterindustrie sehr interessant.
  • Neue Methode zur Absorptionskorrektur für bessere Zahnfüllungen
    Science Highlight
    24.06.2024
    Neue Methode zur Absorptionskorrektur für bessere Zahnfüllungen
    Ein Team um Dr. Ioanna Mantouvalou hat eine Methode entwickelt, um die Verteilung von chemischen Elementen in Dentalmaterialien präziser als bisher möglich darzustellen. Die konfokale mikro-Röntgenfluoreszenzanalyse (micro-XRF) liefert dreidimensional aufgelöste Elementbilder, die Verzerrungen enthalten. Sie entstehen, wenn Röntgenstrahlen Materialien unterschiedlicher Dichte und Zusammensetzung durchdringen. Mit Mikro-CT-Daten, die detaillierte 3D-Bilder der Materialstruktur liefern, und chemischen Informationen aus Röntgenabsorptionsspektroskopie (XAS) - Experimenten im Labor (BLiX, TU Berlin) und an der Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II haben die Forschenden das Verfahren nun verbessert.
  • MXene als Energiespeicher: Chemische Bildgebung blickt nun tiefer
    Science Highlight
    17.06.2024
    MXene als Energiespeicher: Chemische Bildgebung blickt nun tiefer
    Eine neue Methode in der Spektromikroskopie verbessert die Untersuchung chemischer Reaktionen auf der Nanoskala, sowohl auf Oberflächen als auch im Inneren von Schichtmaterialien. Die Raster-Röntgenmikroskopie (SXM) an der MAXYMUS-Beamline von BESSY II ermöglicht den hochsensitiven Nachweis von chemischen Gruppen, die an der obersten Schicht (Oberfläche) adsorbiert oder in der MXene-Elektrode (Volumen) eingelagert sind. Die Methode wurde von einem HZB-Team unter der Leitung von Dr. Tristan Petit entwickelt. Das Team demonstrierte die Methode nun an MXene-Flocken, einem Material, das als Elektrode in Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt wird.