Indiumphosphid bei der Arbeit zugeschaut

Laser Strahl im Dunkeln. Die Farben sehen auf der Kamera anders aus, da das menschliche Auge nur die Wellenlängen von ca. 380-750 nm sieht.

Laser Strahl im Dunkeln. Die Farben sehen auf der Kamera anders aus, da das menschliche Auge nur die Wellenlängen von ca. 380-750 nm sieht. © HZB

Jonathan Diederich, hat das Gemeinschaftsprojekt des HZB, der TU Ilmenau und der Universität Paderborn im Rahmen seiner Dissertation am HZB vorangetrieben.

Jonathan Diederich, hat das Gemeinschaftsprojekt des HZB, der TU Ilmenau und der Universität Paderborn im Rahmen seiner Dissertation am HZB vorangetrieben. © Yuying Gao

Indiumphosphid ist ein vielfältig einsetzbarer Halbleiter. Das Material lässt sich für Solarzellen, zur Wasserstoffgewinnung und sogar für Quantencomputer nutzen – und das mit rekordverdächtiger Effizienz. Was dabei an seiner Oberfläche vor sich geht, ist bisher aber kaum erforscht. Diese Lücke haben Forschende jetzt geschlossen und mit ultraschnellen Lasern die Dynamik der Elektronen im Material unter die Lupe genommen.

„Wir studieren Indiumphosphid und schauen uns die Prozesse an der Oberfläche dieses Halbleiters an“, sagt Jonathan Diederich, der das Gemeinschaftsprojekt des HZB, der TU Ilmenau und der Universität Paderborn innerhalb eines DFG-Paketantrages im Rahmen seiner Dissertation am HZB vorangetrieben hat. „Denn für die interessanten Prozesse sind die obersten Nanometer des Materials extrem wichtig.“ Dort kann zum Beispiel Wasser in seine Bestandteile aufgespalten werden und damit grünen Wasserstoff liefern.

Das ist ein elektrophotochemischer Prozess und der geht so: Wird ein Elektron im Halbleiter von einem Lichtteilchen getroffen, erhält es Energie, kann seinen angestammten Platz verlassen und die chemische Reaktion einleiten. Das geschieht über verschiedene energetische Zustände, die in kürzesten Zeitabständen ablaufen. Neun von diesen haben die Wissenschaftler*innen um HZB-Physiker und Projektleiter Dr. Dennis Friedrich nun entdeckt und auch ihre Dauer bestimmt.

Ein besonderes Augenmerk galt dabei der eintreffenden Energie. Denn ist sie zu hoch, entsteht ein heißes Elektron. Die überschüssige Energie gelangt in das umgebende Material und trägt nicht mehr zur Wasserstoffproduktion bei. „Ließen sich diese heißen Elektronen nutzen, könnte man nicht nur das fundamentale Effizienzlimit photoelektrochemischer Anwendungen überwinden, sondern auch das von Solarzellen. Denn die unterliegen diesem Limit ebenfalls“, erklärt Jonathan Diederich. Doch dazu ist ein gutes Verständnis der Elektronendynamik in der Oberfläche des Materials wichtig.

Halbleiter mit UV-Laser beschossen

Diese hat das HZB-Forschungsteam mit einem Titan-Saphir-Laser unter die Lupe genommen, dessen Strahl sie teilten. Mit dem ersten stupsten sie die Elektronen im Material an. Mit dem zweiten, UV-Laserstrahl gaben sie ihnen zusätzliche Energie, und emittierten die Elektronen. So konnten die Elektronen in sogenannten angeregten Zuständen statt in ihrem Ruhezustand vermessen werden.  „Das gibt uns Informationen über die erlaubten energetischen Zustände in diesen faszinierenden Materialien“, sagt der Physiker. „Denn Halbleiter haben eine gewisse Lücke in den Energieniveaus, die Elektronen einnehmen dürfen, dies ist die Bandlücke des Materials.“

Das unterscheidet sie grundsätzlich von den Metallen, bei denen Elektronenzustände in einer kontinuierlichen Energieverteilung möglich sind. Das heißt, im Metall sind Elektronen nicht an ein Atom gebunden. Sie können fließen und sind dadurch elektrisch leitfähig. Ganz anders ist das bei Isolatoren. Dort sind die Elektronen fest gebunden; Strom wird nicht geleitet. „Im Halbleiter werden die Elektronen ab einer gewissen Energie losgelöst. Dadurch hat man eine Lücke in den Energien, die erlaubt sind“, ergänzt der Forscher. „Unterhalb der Lücke sind Elektronen fest an den Atomkern gebunden und darüber können sie fließen.“ Ein Halbleiter wechselt quasi auf „Knopfdruck“ seine Leitfähigkeit. Und das lässt sich vielfältig nutzen. In Computerchips zum Beispiel, bei denen Leitung und Nichtleitung zu Einsen und Nullen werden und damit das Rechnen ermöglichen. In Solarzellen über den photoelektrischen Effekt oder eben in der photoelektrochemischen Wasserspaltung, die am Institut für Solare Brennstoffe des HZB unter Prof. Roel van de Krol erforscht und optimiert wird.

Ultrahochvakuum für absolute Reinheit

Eine der größten Herausforderungen für das Team war es, die Oberfläche der Proben in der erforderlichen Reinheit herzustellen. „Das hat die Forschungsgruppe um Prof. Hannappel an der TU Ilmenau übernommen“, sagt Jonathan Diederich. „Mit ihrer großen Erfahrung in der metallorganischen Gasphasenabscheidung sind sie für diese Aufgabe der ideale Projektpartner.“ Da selbst kleinste Verunreinigungen die Oberflächenzustände zerstören würde, fand alles im Ultrahochvakuum statt. Das führte zur zweiten Herausforderung. Denn die Proben mussten von Ilmenau nach Berlin ans HZB transportiert werden. „Dafür hatten wir eine Vakuumkammer an zwei Autobatterien angeschlossen“, erzählt der Physiker. „Die Batterie hält vier Stunden. Wenn man es in dieser Zeit nicht schafft, ist die Probe unbrauchbar.“ Und auch die Messung selbst war herausfordernd. Die zeitaufgelöste Zwei-Photonen-Photoemissionsspektroskopie – wie das Verfahren mit dem gesplitteten Laser heißt – ist eine komplexe Methode, darüber hinaus mussten die Forscher ihren Versuchsaufbau speziell anpassen. „Dazu generieren wir Photonen im UV-Bereich“, erklärt Jonathan Diederich. „Denn wir brauchen nicht nur eine hohe Zeitauflösung, sondern auch hohe Photonenenergien, um die Oberfläche zu studieren.“

Kai Dürfeld / Wissenschafts- und Technikjournalist

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Science Highlight
    18.11.2024
    Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Um die Kapazität von Lithiumbatterien weiter zu steigern, werden neue Kathodenmaterialien entwickelt. Mehrschichtige lithiumreiche Übergangsmetalloxide (LRTMO) ermöglichen eine besonders hohe Energiedichte. Mit jedem Ladezyklus wird jedoch ihre Kapazität geringer, was mit strukturellen und chemischen Veränderungen zusammenhängt. Mit Röntgenuntersuchungen an BESSY II hat nun ein Team aus chinesischen Forschungseinrichtungen diese Veränderungen erstmals experimentell mit höchster Präzision vermessen: Mit dem einzigartigen Röntgenmikroskop konnten sie morphologische und strukturelle Entwicklungen auf der Nanometerskala beobachten und dabei auch chemische Veränderungen aufklären.

  • BESSY II: Neues Verfahren für bessere Thermokunststoffe
    Science Highlight
    04.11.2024
    BESSY II: Neues Verfahren für bessere Thermokunststoffe
    Umweltfreundliche Thermoplaste aus nachwachsenden Rohstoffen lassen sich nach Gebrauch recyclen. Ihre Belastbarkeit lässt sich verbessern, indem man sie mit anderen Thermoplasten mischt. Um optimale Eigenschaften zu erzielen, kommt es jedoch auf die Grenzflächen in diesen Mischungen an. Ein Team der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden hat nun an BESSY II untersucht, wie sich mit einem neuen Verfahren aus zwei Grundmaterialien thermoplastische „Blends“ mit hoher Grenzflächenfestigkeit herstellen lassen: Aufnahmen an der neuen Nanostation der IRIS-Beamline zeigten, dass sich dabei nanokristalline Schichten bilden, die die Leistungsfähigkeit des Materials erhöhen.
  • Wasserstoff: Durchbruch bei Alkalischen Membran-Elektrolyseuren
    Science Highlight
    28.10.2024
    Wasserstoff: Durchbruch bei Alkalischen Membran-Elektrolyseuren
    Einem Team aus Technischer Universität Berlin, Helmholtz-Zentrum Berlin, Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg (IMTEK) und Siemens Energy ist es gelungen, eine hocheffiziente alkalische Membran-Elektrolyse Zelle erstmals im Labormaßstab in Betrieb zu nehmen. Das Besondere: Der Anodenkatalysator besteht dabei aus preisgünstigen Nickelverbindungen und nicht aus begrenzt verfügbaren Edelmetallen. An BESSY II konnte das Team die katalytischen Prozesse durch operando Messungen im Detail darstellen, ein Theorie Team (USA, Singapur) lieferte eine konsistente molekulare Beschreibung. In Freiburg wurden mit einem neuen Beschichtungsverfahren Kleinzellen gebaut und im Betrieb getestet. Die Ergebnisse sind im renommierten Fachjournal Nature Catalysis publiziert.