Mehr Schwung beim PET-Recycling durch höhere Standards für Laborexperimente
Im Prinzip lassen sich PET-Moleküle durch passende Enzyme in ihre Grundbausteine spalten, so dass ein vollständiges Recycling möglich ist. Doch in der Praxis sind diese Ansätze schwer auf industrielle Maßstäbe zu übertragen. Eine neue Studie zeigt, wie sich der enzymatische Plastikabbau einen Schritt näher in Richtung Kommerzialisierung bringen ließe: Durch höhere Standards in Laborexperimenten. © HZB/Frank Lennartz, Gert Weber
Viele Enzyme versprechen, Kunststoff abzubauen. Doch was im Laborexperiment funktioniert, versagt dann oft doch im großen Maßstab. Nun hat der Biochemiker Gert Weber, HZB, gemeinsam mit Uwe Bornscheuer, Uni Greifswald, und dem Chief Scientific Officer Alain Marty von Carbios eine Studie publiziert. Sie zeigt am Beispiel von vier Enzymen, welche Standards Laborexperimente erfüllen sollten, damit Ergebnisse besser vergleichbar sind und erfolgsversprechende Ansätze rascher identifiziert werden können.
Seit einigen Jahren melden Medien immer wieder große Durchbrüche beim Recycling von Polyethylenterephthalat (PET) durch neu entdeckte Enzyme, die den Kunststoff in seine Bestandteile zerlegen können. Danach bleibt es aber meist still um die Entdeckung. Dabei ist das Problem gigantisch: PET macht 18 % der weltweiten Kunststoffproduktion aus und zählt damit zu den mengenmäßig wichtigsten Kunststoffen. So baut das Biotech-Unternehmen Carbios im Nordosten Frankreichs bis 2025 eine Anlage auf, die 50.000 Tonnen PET jährlich recyceln soll. Natürlich sind die Carbios-Experten interessiert daran, die bestmöglichen Enzyme für ihre industrielle Anlage zu nutzen, sie stellen aber fest, dass viele Ergebnisse aus der akademischen Laborforschung nicht aufskaliert werden können.
PET-Recycling vom Labor zum Industriemaßstab
„Manche Enzyme funktionieren super im Laborversuch für wenige Stunden, sie verlieren aber sehr schnell ihre Aktivität und das Substrat wird nicht vollständig abgebaut“, sagt HZB-Experte Gert Weber. Im Reagenzglas im Labor ist das kein Problem, aber für eine Anwendung im großen Bioreaktor schon. Uwe Bornscheuer und Gert Weber haben daher zusammen mit dem Biotech-Unternehmen Carbios an vier Beispielen demonstriert, wie sich neue Enzyme für den PET-Abbau besser miteinander vergleichen lassen. „Damit später eine Aufskalierung möglich ist, müssen viele Parameter auch schon beim Laborexperiment in einem engen Bereich liegen, das Ausgangsmaterial muss genau definiert sein, die Versuchsprotokolle müssen einheitlicher sein, um die Leistung der Enzyme und ihre Anwendung in großtechnischem Maßstab besser beurteilen zu können“, erklärt Bornscheuer. Daher haben die Forscher ein standardisiertes PET-Hydrolyseprotokoll erarbeitet, das Reaktionsbedingungen setzt, die für eine Hydrolyse in größerem Maßstab relevant sind. Vor allem wurden zwei PET-Materialien genutzt, zum einen ein definierter PET-Film und zum anderen PET-Granulat aus Abfallflaschen, wie es bei Carbios im technischen Maßstab eingesetzt wird. Damit haben sie vier kürzlich entdeckte PET-zersetzende Enzyme getestet: LCC-ICCG, FAST-PETase, HotPETase und PES-H1L92F/Q94Y.
Beim Experimentieren unter diesem Protokoll stellten sie fest, dass zwei dieser Enzyme, FAST-PETase und HotPETase, sich weniger für den großtechnischen Einsatz eignen, hauptsächlich aufgrund ihrer relativ niedrigen Depolymerisationsraten. Schon besser funktionierte PES-H1L92F/Q94Y. Der vierte Kandidat, LCC-ICCG, übertraf die anderen Enzyme bei weitem: LCC-ICCG wandelt 98 % des PET in 24 Stunden in die monomeren Produkte Terephthalsäure (TPA) und Ethylenglykol (EG) um. „Darüber hinaus konnten wir bei LCC-ICCG die erforderliche Enzymmenge um den Faktor 3 und die Reaktionstemperatur von 72 auf 68 °C reduzieren, so dass der Einsatz dieses Enzyms auch wirtschaftlicher wird“, sagt Bornscheuer.
Neue Standards für Experimente zum PET-Recycling
„Wir sollten bei unserer Laborforschung die industrielle Anwendung mitdenken“, findet Gert Weber. Schließlich geht es um eines der wirklich großen Probleme der Gegenwart. Kunststoffe werden weiterhin aus fossilen Rohstoffen immer wieder neu hergestellt, die Recyclingquoten sind gering und es handelt sich dabei bisher meistens um ein „Downcycling“ hin zu schlechterer Qualität. Der Plastikmüll befindet sich inzwischen in allen Gewässern und in allen Böden und damit in der Nahrungskette. Fortschritte sind daher dringend. „Mit diesen Standards können wir etwas dafür tun, um schneller die Spreu vom Weizen zu trennen.“