„Wir sind stolz, dass es geklappt hat“: BESSY und Transregio-SFB zu ultraschneller Spindynamik

An der Femtoslicing-Beamline von BESSY II können die Beteiligten aus dem Transregio-SFB ihre Experimente durchführen.

An der Femtoslicing-Beamline von BESSY II können die Beteiligten aus dem Transregio-SFB ihre Experimente durchführen. © HZB

Der Probenhalter an der Femtoslicing Beamline.

Der Probenhalter an der Femtoslicing Beamline. © HZB

Die Proben werden mit Laserlicht angeregt.

Die Proben werden mit Laserlicht angeregt. © HZB

Sonderforschungsbereiche ermöglichen es vor allem den Universitäten, eigene Forschungskapazitäten bis auf internationales Spitzenniveau aufzubauen. Im Transregio-Sonderforschungsbereich 227 Ultrafast Spin Dynamic haben die Freie Universität Berlin und die Universität in Halle-Wittenberg auch das HZB als Partner eingebunden. Dabei nimmt die Slicing-Facility von BESSY II eine zentrale Rolle ein. Mit hervorragenden Ergebnissen aus der ersten Phase hat der Transregio-SFB 227 seine erste Zwischenbegutachtung abgeschlossen und bereitet sich nun auf die kommenden Herausforderungen vor. Ein Gespräch mit den beiden HZB-Physikern Niko Pontius und Christian Schüssler-Langeheine über die Bedeutung von solchen Förderprogrammen für das Forschungsgebiet.

Das Forschungsthema lautet: "Ultraschnelle Spindynamik". Können Sie in einfachen Worten beschreiben, warum es wichtig ist, die Dynamik von Spins zu untersuchen?

Christian Schüßler-Langeheine: Unsere ganze Technologie, von der Halbleiterelektronik bis zu Informationstechnologien, basiert auf elektrischen Ladungen von Elektronen. Aber Elektronen haben auch einen Spin, ein magnetisches Moment. Diesen Spin kann man ebenfalls nutzen, um Daten zu verarbeiten oder zu speichern. Und Spins lassen sich extrem schnell und mit sehr wenig Energie manipulieren, daher sind spin-basierte Technologien extrem effizient. Diese Prozesse wollen wir untersuchen und verstehen.

Geht es hier vor allem um Grundlagenforschung?

SL: Nein, nicht nur: Der Transregio- Sonderforschungsbereich (SFB) ist sehr breit aufgestellt, wir befassen uns mit absoluten Grundlagenfragen bis hin zu Entwicklungen, die schon sehr dicht an konkreten Bauteilen sind.

Niko Pontius: Ein konkretes Beispiel aus dem Transregio SFB: Bislang sind Terahertz-Quellen, also Quellen für elektromagnetische Strahlung im Terahertzbereich, sehr schwer herzustellen, eigentlich braucht man dazu einen Teilchenbeschleuniger wie BESSY. Aber in einem der Transregio-Projekte ist es gelungen, mit einem Laser ein magnetisches Sandwichsystem zu einer Terahertz-Quelle zu machen.

Die Sonderforschungsbereiche sind ja eigentlich vor allem dafür eingerichtet worden, um exzellente Forschung an Universitäten zu stärken. Wie ist nun das HZB in diesen SFB eingebunden?

SL: In diesem Transregio-SFB gibt es insgesamt 17+2 Projekte, die an zwei Universitäten in zwei Städten angesiedelt sind: An der FU Berlin und an der Uni Halle-Wittenberg. Lokal um diese beiden Kerne bilden sich Cluster, und hier in Berlin gehört das HZB dazu, weil wir mit BESSY die perfekte Röntgenquelle anbieten können für experimentelle Untersuchungen der ultraschnellen Spindynamik. Von den 17+2 Projekten haben etwa acht einen direkten Bezug zur Femtoslicing-Quelle.

Die erste Phase des SFB dauert vier Jahre. Ist die Verlängerung selbstverständlich?

NP: Bei der ersten Begutachtung eines SFBs geht es um die Idee, und zwar schon mit einer sehr langen Zeitperspektive von zwölf Jahren. Bei der ersten Zwischenbegutachtung müssen wir dann Ergebnisse liefern, da geht es darum: Konntet ihr die Ideen umsetzen und habt ihr einen Plan für die nächsten acht Jahre, der auch trägt? Insofern können wir sehr stolz drauf sein, dass das geklappt hat.

Und was bedeutet die Verlängerung des Transregio SFBs für das HZB?

SL: Das ist eine tolle Anerkennung unserer Arbeit. Und ein starkes Argument, wenn wir mit unseren Partnern Anträge für die Verbundforschung schreiben.

Gab es eine überraschende Erkenntnis schon in der ersten Phase des SFB?

SL: Ja, zum Beispiel an BESSY II. Dazu muss ich etwas ausholen. Diese zeitaufgelösten Experimente funktionieren ja in der Regel so: Man stört das System mit einem Laserpuls und schaut, wie sich die Spins mit der Zeit entwickeln. Bisher dachte man: Der Laserpuls regt das Elektronensystem an und heizt es auf - das dauert ein paar hundert Femtosekunden, bis die wieder abkühlen und erst dann geht die magnetische Dynamik los. Aber unsere Experimente haben nun gezeigt, dass die Spindynamik schon viel früher beginnt. Da werden schon Ladungen zwischen verschiedenen Elementen in der Probe umsortiert und Spins transferiert. Das ist in der ersten Förderperiode erarbeitet worden und hat den Plan für die nächsten Förderperioden stark beeinflusst.

Warum ist die Slicing-Quelle an BESSY II so wichtig für die Untersuchungen?

NP: Wir haben an der Femtoslicingquelle eine Zeitauflösung von 120 Femtosekunden, das ist 400 Mal besser als die Zeitauflösung ohne das Slicing (50 Pikosekunden). Nur diese hohe Zeitauflösung ermöglicht es uns, die Dynamik schon gleich nach der Anregung zu beobachten.

Gibt es weitere Pluspunkte für Experimente an der Slicing-Quelle?

NP: Mit dem weichen Röntgenlicht von BESSY II lassen sich die magnetischen Eigenschaften in Materialien aus mehreren Elementen ganz elementspezifisch auftrennen. Und wir haben eine besondere Technik, den zirkularen Röntgendichroismus: Sie erlaubt uns, den Spinanteil des magnetischen Moments von dem Anteil, der durch die Kreisbewegung des Elektrons entsteht, zu trennen. Das ergibt ein besonders detailliertes Bild.

Ist das ein Alleinstellungsmerkmal?

SL: Für lange Zeit waren wir weltweit die einzige Quelle, die die Kombination von Zirkularpolarisation und Femtoslicing anbieten konnten. Inzwischen gibt es auch andere Quellen, die das aufbauen.  Aber durch die langjährige Erfahrung sind wir führend und wir verbessern die Methoden immer weiter.

Gibt es jetzt konkrete Projekte, um die experimentellen Möglichkeiten noch auszubauen?

SL: Ja. Um die elektronischen Anregungen in der allerersten Phase direkt nach dem Laserpuls mit genauer zu untersuchen, würden wir gerne einen zweiten Zweig an der Femtoslicing Beamline aufbauen.

Vielen Dank für das Gespräch.

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Ultraschnelle Dissoziation von Molekülen an BESSY II analysiert
    Science Highlight
    02.12.2024
    Ultraschnelle Dissoziation von Molekülen an BESSY II analysiert
    Ein internationales Team hat an BESSY II erstmals beobachtet, wie schwere Moleküle (Bromchlormethan) in kleinere Fragmente zerfallen, wenn sie Röntgenlicht absorbieren. Mit einer neu entwickelten Analysemethode gelang es ihnen, die ultraschnelle Dynamik dieses Prozesses sichtbar zu machen. Dabei lösen die Röntgenphotonen einen „molekularen Katapulteffekt“ aus: Leichte Atomgruppen werden zuerst herausgeschleudert, ähnlich wie Geschosse, die von einem Katapult abgeschossen werden, während die schwereren Atome – Brom und Chlor – sich deutlich langsamer trennen.
  • Protonen gegen Krebs: Neue Forschungsbeamline für innovative Strahlentherapien
    Nachricht
    27.11.2024
    Protonen gegen Krebs: Neue Forschungsbeamline für innovative Strahlentherapien
    Das HZB hat gemeinsam mit der Universität der Bundeswehr München eine neue Beamline für die präklinische Forschung eingerichtet. Sie ermöglicht künftig am HZB Experimente an biologischen Proben zu innovativen Strahlentherapien mit Protonen.
  • Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Science Highlight
    18.11.2024
    Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Um die Kapazität von Lithiumbatterien weiter zu steigern, werden neue Kathodenmaterialien entwickelt. Mehrschichtige lithiumreiche Übergangsmetalloxide (LRTMO) ermöglichen eine besonders hohe Energiedichte. Mit jedem Ladezyklus wird jedoch ihre Kapazität geringer, was mit strukturellen und chemischen Veränderungen zusammenhängt. Mit Röntgenuntersuchungen an BESSY II hat nun ein Team aus chinesischen Forschungseinrichtungen diese Veränderungen erstmals experimentell mit höchster Präzision vermessen: Mit dem einzigartigen Röntgenmikroskop konnten sie morphologische und strukturelle Entwicklungen auf der Nanometerskala beobachten und dabei auch chemische Veränderungen aufklären.