Flüssigkristalle für schnelle Schaltprozesse

Das Bild zeigt den modifizierten Probenhalter mit Proben in der ALICE-Messkammer an BESSY II.

Das Bild zeigt den modifizierten Probenhalter mit Proben in der ALICE-Messkammer an BESSY II. © A. Smekhova/HZB

Schematische Darstellung des EZL10/10 Moleküls.

Schematische Darstellung des EZL10/10 Moleküls. © Soft Matter, 2021, DOI: 10.1039/D1SM01543E

Ein internationales Team hat eine neu synthetisierte  flüssigkristalline Verbindung untersucht, die Anwendungen in der Opto-Elektronik verspricht. Einfache stäbchenförmige Moleküle mit nur einem einzigen Chiralitätszentrum ordnen sich bei Raumtemperatur von selbst zu spiralförmigen Strukturen. Durch resonante Röntgenstreuung an BESSY II konnten die Forscher*innen nun die Ganghöhe der Helixstruktur bestimmen. Mit nur etwa 100 Nanometern ist diese extrem kurz, was besonders schnelle Schaltprozesse ermöglichen könnte.

Flüssigkristalle sind zwar nicht fest, sondern flüssig, aber einige ihrer physikalischen Eigenschaften sind dennoch richtungsabhängig  wie in einem Kristall. Das liegt daran, dass sich ihre Moleküle in bestimmten Mustern anordnen können. Zu den bekanntesten Anwendungen gehören Flachbildschirme und digitale Displays. Sie basieren auf Pixeln aus Flüssigkristallen, deren optische Eigenschaften durch elektrische Felder geschaltet werden können.

Schraubenförmige Strukturen

Einige Flüssigkristalle bilden so genannte cholesterische Phasen: Die Moleküle ordnen sich zu schraubenförmigen Strukturen an, die durch eine Steigung gekennzeichnet sind und sich entweder nach rechts oder nach links drehen. "Die Steigung der cholesterischen Spiralen bestimmt, wie schnell sie auf ein angelegtes elektrisches Feld reagieren", erklärt Dr. Alevtina Smekhova, Physikerin am HZB und Erstautorin der Studie, die jetzt in Soft Matter veröffentlicht wurde.

Stäbchenförmige Moleküle

Darin untersuchte sie mit Partnern der Akademien der Wissenschaften in Prag, Moskau und Chernogolovka eine in Prag entwickelte flüssigkristalline cholesterische Verbindung namens EZL10/10. "Solche cholesterischen Phasen werden normalerweise von Molekülen mit mehreren chiralen Zentren gebildet, aber hier hat das Molekül nur ein chirales Zentrum", erklärt Smekhova. Es handelt sich um eine einfache Molekülkette mit einer Laktateinheit.

Extrem kurze Ganghöhe

An BESSY II hat das Team diese Verbindung nun mit weichem Röntgenlicht untersucht und die Steigung und räumliche Anordnung der Spiralen bestimmt. Aus den Messdaten ermittelten sie eine Ganghöhe von 104 Nanometern! Das ist doppelt so kurz wie bei bisher bekannten cholesterischen Phasen in Flüssigkristallen. Weitere Analysen zeigten, dass die cholesterischen Spiralen in diesem Material Domänen mit charakteristischen Längen bilden.

Ausblick:

"Diese sehr kurze Ganghöhe macht das Material einzigartig und vielversprechend für optoelektronische Bauelemente mit sehr kurzen Schaltzeiten", betont Smekhova. Darüber hinaus ist die EZ110/10-Verbindung thermisch und chemisch stabil und kann leicht weiter variiert werden, um Strukturen mit maßgeschneiderten Ganghöhen zu erhalten.

Anmerkung: Dr. Alevtina Smekhova arbeitet am HZB mit einem Schwerpunkt auf metrologischen Messungen und Datenstandardisierung. Ziel ist es unter anderem, neue Nutzer für die synchrotronbasierte Forschung an Energiematerialien, Quantenmaterialien oder Materialien der Informations- und Kommunikationstechnologie an BESSY II zu gewinnen.

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Ernst-Eckhard-Koch-Preis und Innovationspreis Synchrotronstrahlung
    Nachricht
    13.12.2024
    Ernst-Eckhard-Koch-Preis und Innovationspreis Synchrotronstrahlung
    Auf dem diesjährigen Nutzertreffen zeichnete  der Freundeskreis des HZB die herausragende Promotionsarbeit von Dr. Dieter Skroblin von der Technischen Universität Berlin mit dem Ernst-Eckhard-Koch-Preis aus. Der Europäische Innovationspreis Synchrotronstrahlung ging an Dr. Manfred Faubel vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen und Dr. Bernd Winter vom Fritz-Haber-Institut in Berlin.
  • Modernisierung der Röntgenquelle BESSY II
    Nachricht
    11.12.2024
    Modernisierung der Röntgenquelle BESSY II
    Im Fokus des Nutzertreffens 2024: Das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) stellt das Upgrade-Programm BESSY II+ vor.  Es ermöglicht, die Weltklasse-Forschung an BESSY II weiter auszubauen und neue Konzepte im Hinblick auf die Nachfolgequelle BESSY III zu erproben.  

  • Weniger ist mehr: Warum ein sparsamer Iridium-Katalysator so gut funktioniert
    Science Highlight
    05.12.2024
    Weniger ist mehr: Warum ein sparsamer Iridium-Katalysator so gut funktioniert
    Für die Produktion von Wasserstoff mit Elektrolyse werden Iridiumbasierte Katalysatoren benötigt. Nun zeigt ein Team am HZB und an der Lichtquelle ALBA, dass die neu entwickelten P2X-Katalysatoren, die mit nur einem Viertel des Iridiums auskommen, ebenso effizient und langzeitstabil sind wie die besten kommerziellen Katalysatoren. Messungen an BESSY II haben nun ans Licht gebracht, wie die besondere chemische Umgebung im P2X-Kat während der Elektrolyse die Wasserspaltung befördert.