Ultraschneller Magnetismus: Schnappschuss der Gitterschwingungen

Durch einen Glühfaden wird die Probe während der Messung auf konstante Temperatur geheizt.

Durch einen Glühfaden wird die Probe während der Messung auf konstante Temperatur geheizt. © HZB

Magnetische Festkörper können mit einem kurzen Laserpuls schnell entmagnetisiert werden. Nach diesem Prinzip funktionieren die so genannten HAMR-Speicher (Heat Assisted Magnetic Recording), die bereits auf dem Markt sind. Die mikroskopischen Mechanismen der ultraschnellen Entmagnetisierung sind allerdings noch nicht vollständig geklärt. Ein HZB-Team hat an BESSY II eine Methode entwickelt, um einen dieser mikroskopischen Mechanismen quantitativ zu erfassen. Damit konnten sie nun das Element Gadolinium untersuchen, dessen magnetische Eigenschaften durch Elektronen sowohl auf der 4f- als auch auf der 5d-Schale verursacht werden. Diese Studie vervollständigt eine Reihe von Experimenten, die das Team an Nickel und Eisen-Nickel-Legierungen durchgeführt hat. Das Verständnis dieser Mechanismen ist für die Entwicklung ultraschneller Datenspeicher nützlich.


Neue Materialien sollen Informationsverarbeitung effizienter machen, zum Beispiel durch ultraschnelle spintronische Bauelemente, die Daten mit weniger Energieaufwand speichern. Bislang sind die mikroskopischen Mechanismen der ultraschnellen Entmagnetisierung jedoch noch nicht vollständig verstanden. Um den Prozess der Entmagnetisierung zu untersuchen, schickt man normalerweise einen ultrakurzen Laserpuls auf die Probe, erhitzt sie dadurch plötzlich, und analysiert dann, wie sich das System in den nächsten Pikosekunden entwickelt.

Messung bei konstanter Temperatur

„Unser Ansatz ist anders", erklärt Dr. Régis Decker, Erstautor der neuen Studie. „Wir halten die Probe während der spektroskopischen Messungen auf einer festen Temperatur. Diese Messungen machen wir über einen weiten Temperaturbereich, von -120°C bis 450°C für Gadolinium - und bis zu 1000°C bei den früheren Experimenten mit Nickel und der Eisen-Nickel-Legierung“. Dadurch ist es möglich, bei jeder einzelnen Temperatur die Auswirkungen der Gitterschwingungen (Phononen) auf die ultraschnelle Entmagnetisierung zu quantifizieren. Indem wir die Probe auf einer konstanten Temperatur halten, machen wir einen Schnappschuss der Gitterschwingungen nach dem kurzen Laserpuls.“

Gadolinium im Fokus

Das Element Gadolinium besitzt 4f- und 5d-Elektronenorbitale, die beide zu seinen ferromagnetischen Eigenschaften beitragen. Je höher die Temperatur, desto mehr schwingt das kristalline Gitter – in der Physik sagt man: die Anzahl der Phononen steigt - und desto wahrscheinlicher sind Spin-Flips durch Streuung von Elektronen an Phononen.

Mit der Methode der inelastischen Röntgenstreuung (RIXS) konnten die Physiker*innen nicht nur die Anzahl der Phononen bei einer bestimmten Temperatur bestimmen, sondern auch die Wechselwirkungen zwischen Phononen und 4f- und 5d-Elektronen unterscheiden. Dafür konnten sie auf die strengen röntgenspektroskopischen Symmetrieauswahlregeln zurückgreifen.

Spin-flip nur bei den 5d-Elektronen

Die Daten zeigen, dass es zwischen den lokalisierten 4f-Elektronen und Phononen kaum Wechselwirkung gibt, während die 5d-Elektronen stark an den Phononen gestreut werden, so dass ein Spin-Flip nur dort stattfindet. Die Elektron-Phononen-Streuung gilt als einer der Hauptauslöser der ultraschnellen Entmagnetisierung. Wir zeigen hier, dass beim Element Gadolinium nur die 5d-Elektronen daran beteiligt sind“, sagt Decker. Interessanterweise weisen die Messergebnisse auch auf eine Temperaturschwelle hin, die vom Material abhängt und unterhalb derer dieser Mechanismus nicht auftritt. „Dies deutet auf die Existenz eines anderen mikroskopischen Mechanismus bei niedrigeren Temperaturen hin, wie es die Theorie vorhersagt", erklärt Decker. 

Hinweis: Diese Studie schließt eine Reihe von Experimenten ab, die das HZB-Team an BESSY II mit Nickel, Eisen-Nickel-Legierungen und nun auch mit Gadolinium durchgeführt hat.

Aktuelle Studie zu Gadolinium: 10.1063/5.0063404

Zu Nickel:  10.1038/s41598-019-45242-8  

Zur Eisen-Nickel-Legierung: 10.1038/s41598-021-81177-9

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Mesoporöses Silizium: Halbleiter mit neuen Talenten
    Science Highlight
    25.02.2025
    Mesoporöses Silizium: Halbleiter mit neuen Talenten
    Silizium ist das bekannteste Halbleitermaterial. Doch eine gezielte Nanostrukturierung kann die Materialeigenschaften drastisch verändern. Ein Team am HZB hat mit einer eigens entwickelten Ätzapparatur nun mesoporöse Siliziumschichten mit unzähligen winzigen Poren hergestellt und ihre elektrische Leitfähigkeit sowie Thermokraft untersucht. Die Forschenden haben damit erstmals aufgeklärt, wie der elektronische Transport in diesem mesoporösen Silizium funktioniert. Das Material hat großes Potenzial für Anwendungen und könnte auch Qubits für Quantencomputer thermisch isolieren.
  • Innovative Batterie-Elektrode aus Zinn-Schaum
    Science Highlight
    24.02.2025
    Innovative Batterie-Elektrode aus Zinn-Schaum
    Metallbasierte Elektroden in Lithium-Ionen-Akkus versprechen deutlich höhere Kapazitäten als konventionelle Graphit-Elektroden. Leider degradieren sie aufgrund von mechanischen Beanspruchungen während der Lade- und Entladezyklen. Nun zeigt ein Team am HZB, dass ein hochporöser Schaum aus Zinn den mechanischen Stress während der Ladezyklen deutlich besser abfedern kann. Das macht Zinn-Schäume als potentielles Material für Lithium-Batterien interessant.
  • Perowskit-Solarzellen: Der Schlüssel zur Langzeitstabilität
    Science Highlight
    21.02.2025
    Perowskit-Solarzellen: Der Schlüssel zur Langzeitstabilität
    Perowskit-Solarzellen sind kostengünstig in der Herstellung und hocheffizient. Im Außeneinsatz unter realen Wetterbedingungen ist jedoch noch fraglich, wie lange sie stabil bleiben. Dieses Thema greift nun eine internationale Kooperation unter Leitung von Prof. Antonio Abate in der Fachzeitschrift Nature Reviews Materials auf. Die Forschenden untersuchten die Auswirkungen von wiederholten thermischen Zyklen auf Mikrostrukturen und Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Schichten von Perowskit-Solarzellen. Das Fazit: Der entscheidende Faktor für die Degradation von Metall-Halogenid-Perowskiten sind thermische Spannungen. Daraus lassen sich Strategien ableiten, um die Langzeitstabilität von Perowskit-Solarzellen gezielt zu steigern.