Grüner Wasserstoff: Israelisch-deutsches Team löst das Rätsel um Rost
Metalloxide wie Rost eignen sich als Photoelektroden, um „grünen“ Wasserstoff mit Sonnenlicht zu erzeugen. Doch trotz jahrzehntelanger Forschung an diesem preisgünstigen Material sind die Fortschritte begrenzt. Ein Team am HZB hat nun gemeinsam mit Partnern von der Ben-Gurion-Universität und dem Technion, Israel, die optoelektronischen Eigenschaften von Rost (Hämatit) und anderen Metalloxiden in bisher nicht gekanntem Detail analysiert. Ihre Ergebnisse zeigen, dass der maximal erreichbare Wirkungsgrad von Hämatit-Elektroden deutlich geringer ist als bisher angenommen. Die Studie gibt darüber hinaus konkrete Hinweise, wie sich neue Materialien für Photoelektroden realistischer bewerten lassen.
Wasserstoff wird im Energiesystem der Zukunft in großen Mengen als Energieträger und Rohstoff benötigt. Dafür muss Wasserstoff jedoch klimaneutral erzeugt werden, zum Beispiel über eine so genannte Photo-Elektrolyse, in der Wasser in seine Elemente Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Die nötige Energie liefert dafür das Sonnenlicht. Als Photoelektroden kommen halbleitende Materialien in Frage, die Sonnenlicht in Strom umwandeln und im Wasser stabil bleiben. Zu den besten Kandidaten für preisgünstige und stabile Photoelektroden gehören Metalloxide. Einige dieser Metalloxide besitzen zudem katalytisch aktive Oberflächen, die die Bildung von Wasserstoff an der Kathode bzw. Sauerstoff an der Anode beschleunigen.
Warum bleibt Rost unter den berechneten Möglichkeiten?
Im Fokus der Forschung steht seit langem Hämatit (α-Fe2O3), das weithin unter dem Namen Rost bekannt ist. Hämatit ist stabil im Wasser, extrem preiswert und eignet sich gut als Photoanode mit nachgewiesener katalytischer Aktivität für die Sauerstoffentwicklung. Obwohl seit etwa 50 Jahren an Hämatit-Photoanoden geforscht wird, liegt die Photostrom-Umwandlungseffizienz bei weniger als 50 Prozent des theoretischen Maximalwertes. Zum Vergleich: Der Wirkungsgrad des Halbleitermaterials Silizium, das heute fast 90 Prozent des Photovoltaikmarktes dominiert, liegt bei etwa 90 Prozent des theoretischen Maximalwertes. Über die Gründe rätselt man seit langem. Was genau wurde übersehen? Woran liegt es, dass trotz langer Forschung nur bescheidene Steigerungen des Wirkungsgrads erreicht werden konnten?
Israelisch-Deutsche Kooperation löst das Rost-Rätsel
Nun aber hat ein Team um Dr. Daniel Grave (Ben-Gurion-Universität), Dr. Dennis Friedrich (HZB) und Prof. Dr. Avner Rothschild (Technion) eine Erklärung dafür geliefert und in Nature Materials publiziert. Die Gruppe am Technion untersuchte, wie die Wellenlänge des absorbierten Lichts die photoelektrochemischen Eigenschaften der Hämatit-Dünnschichten beeinflusst, während das HZB-Team mit zeitaufgelösten Mikrowellenmessungen die Beweglichkeit der Ladungsträger in dünnen Rostschichten bestimmte.
Wichtige physikalische Eigenschaft des Materials
Durch die Kombination ihrer Ergebnisse gelang es den Forschenden, eine grundlegende physikalische Eigenschaft des Materials zu extrahieren, die bei der Betrachtung anorganischer Solarabsorber bisher vernachlässigt wurde: Das Spektrum der Photogenerationsausbeute. „Grob gesagt bedeutet dies, dass nur ein Teil der absorbierten Licht-Energie im Hämatit auch mobile Ladungsträger erzeugt, der Rest erzeugt eher lokalisierte Ladungsträger und geht somit verloren", erklärt Grave.
Obergrenze neu berechnet
"Dieser neue Ansatz gibt einen experimentellen Einblick in die Wechselwirkung zwischen Licht und Material in Hämatit und erlaubt es, das Spektrum in produktive und nicht-produktive Absorption zu unterscheiden", erklärt Rothschild. "Damit konnten wir zeigen, dass die effektive Obergrenze für die Umwandlungseffizienz von Hämatit-Photoanoden deutlich niedriger ist als bisher berechnet", sagt Grave. Nach der neuen Berechnung kommen die heutigen "Champions" unter den Hämatit-Photoanoden schon recht nahe an das theoretisch mögliche Maximum heran. Viel besser geht es also nicht mehr.
Realistische Einschätzung von neuen Materialien
Der Ansatz wurde auch erfolgreich auf das Modellmaterial TiO2 und das derzeit beste Metalloxid-Photoanodenmaterial BiVO4 angewendet. "Mit diesem neuen Ansatz haben wir unserem Arsenal ein mächtiges Werkzeug hinzugefügt, das es uns ermöglicht, das tatsächliche Potenzial von Photoelektrodenmaterialien zu ermitteln. Wenn wir dies auf neuartige Materialien anwenden, wird dies hoffentlich die Entdeckung und Entwicklung der idealen Photoelektrode für die solare Wasserspaltung beschleunigen. Es würde uns auch erlauben, 'schnell zu scheitern', was bei der Entwicklung neuer Absorbermaterialien wohl ebenso wichtig ist", so Friedrich.