Perowskit-Materialien: Neutronen zeigen Zwillingsbildung in Halid-Perowskiten

Dr. Michael Tovar am FALCON-Instrument der BER II Neutronenquelle.

Dr. Michael Tovar am FALCON-Instrument der BER II Neutronenquelle. © HZB

Mit der Laue-Kamera wurde das Beugungsmuster aufgenommen.

Mit der Laue-Kamera wurde das Beugungsmuster aufgenommen. © HZB

Solarzellen auf Basis von hybriden Halid-Perowskiten erreichen hohe Wirkungsgrade. Diese gemischt organisch-anorganischen Halbleiter werden in der Regel als dünne Filme aus Mikrokristallen produziert. Eine Untersuchung mit der Laue-Kamera an der Neutronenquelle BER II konnte nun aufklären, dass es beim Auskristallisieren auch bei Raumtemperatur zur Zwillingsbildung kommt. Dieser Einblick ist hilfreich, um Herstellungsverfahren von Halid-Perowskiten zu optimieren. 

Vor gut zehn Jahren entdeckten Forscherteams die Klasse der halborganischen Halid-Perowskite, die nun als neue Materialien für Solarzellen eine rasante Karriere machen. Die gemischt organisch-anorganischen Halbleiter erreichten innerhalb weniger Jahre Wirkungsgrade von über 25 Prozent.

Ihren Namen haben sie von ihrer Grundstruktur, die der des Minerals Perowskit (CaTiO3) sehr ähnlich ist, aber andere Bausteine enthält: Halid Anionen, Blei Kationen und organische molekulare Kationen.

MAPI-Struktur: offene Fragen

Im Falle der wichtigsten Verbindung der Klasse, Methylammoniumbleiiodid CH3NH3PbI3 (meist abgekürzt als MAPI), die auch hier untersucht wurde, handelt es sich bei den molekularen Kationen um Methylammonium-Kationen und bei den Anionen um Iodid-Anionen. Obwohl allein 2019 mehr als 4000 Publikationen zu Halid Perowskiten erschienen sind, ist es bislang nicht gelungen, ihre Struktur restlos zu verstehen. Man dachte, dass dies  im Falle von MAPI unter anderem daran liegt, dass sie als polykristalline Filme bei erhöhter Temperatur hergestellt werden und es beim Abkühlen auf Raumtemperatur zu Zwillingsbildung kommt.

Aufklärung mit Neutronen

Die Zwillingsbildung ist komplex und kann die Materialeigenschaften deutlich verändern. Daher ist es spannend, diesen Prozess näher zu untersuchen. „Wir haben nun MAPI bei Raumtemperatur auskristallisiert und mit der Laue-Kamera Falcon am BER II die so entstandenen Kristalle analysiert“, sagt Dr. Joachim Breternitz, HZB.

Zusammen mit seinen Kollegen Prof. Susan Schorr und Dr. Michael Tovar konnte er aus den Daten ermitteln, dass auch bei Raumtemperatur gezüchtete Kristalle Zwillinge bilden. Das gibt einen neuen Einblick in den Kristallisations- und Wachstumsprozess von MAPI. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Kristallisationskeime eine höhere Symmetrie aufweisen, als die die fertigen Kristalle, die als Bulk bezeichnet werden“, erläutert Breternitz.

Mit diesen Einblicken kann die Synthese der technologisch wichtigen Dünnschichten gezielt optimiert werden.

Die Neutronenquelle BER II hat bis zu ihrer planmäßigen Abschaltung im Dezember 2019 Neutronen für die Forschung bereitgestellt. „Das war eines unserer letzten Experimente an FALCON am BER II und ich hoffe, dass wir damit bis zum Schluss nützliche Beiträge leisten konnten“, sagt Breternitz.

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Zwei Humboldt-Fellows am HZB
    Nachricht
    09.12.2024
    Zwei Humboldt-Fellows am HZB
    Zwei junge Wissenschaftler sind zurzeit als Humboldt-Postdoktoranden am HZB tätig. Kazuki Morita bringt seine Expertise in Modellierung und Datenanalyse in die Solarenergieforschung im Team von Prof. Antonio Abate ein. Qingping Wu ist Experte für Batterieforschung und arbeitet mit Prof. Yan Lu zusammen an Lithium-Metall-Batterien mit hoher Energiedichte.

  • Weniger ist mehr: Warum ein sparsamer Iridium-Katalysator so gut funktioniert
    Science Highlight
    05.12.2024
    Weniger ist mehr: Warum ein sparsamer Iridium-Katalysator so gut funktioniert
    Für die Produktion von Wasserstoff mit Elektrolyse werden Iridiumbasierte Katalysatoren benötigt. Nun zeigt ein Team am HZB und an der Lichtquelle ALBA, dass die neu entwickelten P2X-Katalysatoren, die mit nur einem Viertel des Iridiums auskommen, ebenso effizient und langzeitstabil sind wie die besten kommerziellen Katalysatoren. Messungen an BESSY II haben nun ans Licht gebracht, wie die besondere chemische Umgebung im P2X-Kat während der Elektrolyse die Wasserspaltung befördert.
  • Ultraschnelle Dissoziation von Molekülen an BESSY II analysiert
    Science Highlight
    02.12.2024
    Ultraschnelle Dissoziation von Molekülen an BESSY II analysiert
    Ein internationales Team hat an BESSY II erstmals beobachtet, wie schwere Moleküle (Bromchlormethan) in kleinere Fragmente zerfallen, wenn sie Röntgenlicht absorbieren. Mit einer neu entwickelten Analysemethode gelang es ihnen, die ultraschnelle Dynamik dieses Prozesses sichtbar zu machen. Dabei lösen die Röntgenphotonen einen „molekularen Katapulteffekt“ aus: Leichte Atomgruppen werden zuerst herausgeschleudert, ähnlich wie Geschosse, die von einem Katapult abgeschossen werden, während die schwereren Atome – Brom und Chlor – sich deutlich langsamer trennen.