IM FOKUS: Vom MIT in den USA an den Wannsee
Für Marcel Risch ist es eine Rückkehr: Schon im Studium untersuchte er Proben am Berliner Teilchenbeschleuniger BESSY II. Nach einigen Jahren am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) und in Göttingen baut er jetzt am HZB seine eigene Gruppe auf – unterstützt vom European Research Council.
An seinen ersten Besuch am Berliner Teilchenbeschleuniger kann sich Marcel Risch noch bestens erinnern: „Wir haben damals eine ganze Lastwagenladung mit Material durch Berlin gefahren“, sagt er lachend. 2008 war es, er promovierte gerade an der Freien Universität, und die erste Probe, die er an BESSY II untersuchte, war Kobaltoxid. „Wir haben den Versuch mühsam eingerichtet, und auch als Neuling musste ich natürlich tagelang beim Aufbau mit anpacken, bevor es dann mit den Untersuchungen losging.“ Aus diesem arbeitsreichen ersten Kontakt ist jetzt, mehr als ein Jahrzehnt später, ein viel beachtetes Forschungsprojekt gewachsen: Marcel Risch hat einen der renommierten Starting Grants vom European Research Council (ERC) eingeworben – und baut nun mit seinen rund 1,5 Millionen Euro Fördergeld am HZB eine eigene Gruppe auf.
In den Bereich der Erneuerbaren Energien fällt sein Forschungsprojekt, und das ist Marcel Risch ein Herzensanliegen: „Ich finde dieses Thema gleich doppelt interessant: für die Gesellschaft, und natürlich auch aus wissenschaftlicher Sicht“, sagt er. Am HZB pendelt er jetzt zwischen beiden Standorten: In Adlershof nutzt er die Synchrotronquelle BESSY II und am Wannsee richtet er gerade ein Labor für elektrokatalytische Messungen ein. „Das hier ist von meinen beiden Schreibtischen aber derjenige, an dem ich am häufigsten sitze“, sagt er und zeigt in seinem Büro am Wannsee herum. Es steht voller Bücher und ein paar Blumen („ich bin so häufig unterwegs, dass ich künstliche habe, die ohne Wasser auskommen“), und wenn Marcel Risch hier morgens ankommt, hat er schon den ersten Teil seines Sportprogramms absolviert: Er kommt jeden Tag mit dem Fahrrad aus Potsdam, wo er sich mit seiner Partnerin und dem gerade neu geborenen Sohn niedergelassen hat. „Ich nehme den schönsten Weg, nicht den schnellsten“, sagt er lachend: „Der dauert zwar eine halbe Stunde, aber er führt am Schloss Cecilienhof vorbei und über die Glienicker Brücke.“
Es ging schnell, dass sich Marcel Risch in Berlin heimisch fühlte – auch deshalb, weil er während seiner Promotion schon einmal für ein paar Jahre hier war. Damals war es eine Zwischenstation auf seinem Weg, der ihn zu den renommiertesten Forschungseinrichtungen und Universitäten geführt hatte, unter anderem an das Massachusetts Institute of Technology (MIT). „Dass ich Physik studieren will, stand eigentlich schon in der Schulzeit fest“, erinnert sich Risch, der in Darmstadt aufwuchs. Physik und Chemie, das waren damals seine Lieblingsfächer, und er hatte Glück mit seinen Lehrern. Mit Experimenten weckten sie die Neugier – mit einer CD zum Aufspalten des Lichts in die verschiedenen Spektralfarben zum Beispiel oder, als die Schüler älter waren, mit einer exakt gemessenen Zerfallskurve von Bierschaum verschiedener Marken. Als Austauschstudent ging er an die Partner-Uni der Darmstädter im kanadischen Saskatchewan, um sein Englisch aufzupolieren. Das Glück, zur richtigen Zeit die richtigen Leute zu treffen, hatte er auch während des Studiums: Eine Ausschreibung über die „natürliche Photosynthese“ brachte ihn in Kontakt mit seinem späteren Doktorvater. Und als er dann einige Jahre später eine Ankündigung sah für eine Konferenz zu solaren Brennstoffen, die am MIT stattfinden sollte, nahm er mit einem Stipendium des DAAD daran teil. Und er nutzte seine Chance: „Ich bin gleich zu den Professoren ins Büro gegangen, die zu meinem Thema arbeiteten, um einfach mal Kontakt aufzunehmen“, sagt er. Das Klinkenputzen lohnte sich: Von 2012 bis 2015 arbeitete er als Postdoc am MIT, immer mit wechselnden Aufgaben. Danach hat er an der Georg-August-Universität Göttingen eine Arbeitsgruppe aufgebaut, die auch weiterhin zusätzlich zu den Aktivitäten am HZB bestehen bleibt.
In seinem Projekt, an dem er jetzt am HZB arbeitet, will er den Mechanismus untersuchen, wie sich Sauerstoff entwickelt, wenn Wasser katalytisch aufgespalten wird. Das Projekt trägt den Titel „ME4OER – Mechanism Engineering of the Oxygen Evolution Reaction“ – und es setzt an einem Punkt an, der für die Energiewende entscheidend sein könnte: Viele Forscher setzen Hoffnung darauf, Sonnenenergie nicht direkt in Strom zu verwandeln und ins Netz einzuspeisen, sondern mit Hilfe der Sonnenenergie Wasserstoff zu gewinnen. Der lässt sich dezentral lagern und speichert die Energie somit besonders effizient. Ob mit oder ohne Wandlung in Strom, der Haken sind die Elektrokatalysatoren, mit denen Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten wird: In ihnen werden bislang Materialien wie Ruthenium oder Iridium verwendet, die sehr teuer sind. Lassen sie sich durch preisgünstigere Alternativen ersetzen? Marcel Risch konzentriert sich bei dieser Suche auf häufiger vorhandene Übergangsmetalloxide wie Mangan. Die sind zwar preisgünstig, aber bei der Sauerstoff-Evolutionsreaktion nicht sehr effizient. „Der Sauerstoff will sich nicht so recht herstellen lassen“, sagt Risch dazu – und versucht, das zu verändern: Wenn er die Reaktionsprozesse auf den Oberflächen auf molekularer Ebene analysiert, so hofft er, findet er eine Möglichkeit, sie zu verbessern. „Ich vergleiche das gern mit einer Wanderkarte. Stellen Sie sich vor, Sie wollen von Punkt A zu Punkt B wandern und dabei möglichst wenige Höhenmeter zurücklegen. Da studieren Sie also die Höhenlinien, um den flachsten Weg zu finden“, erklärt Marcel Risch. Das sei im Grunde die gleiche Frage, die er sich stelle: Wie lässt sich eine Reaktion so durchführen, dass alle Hindernisse gemieden und ein möglichst effizienter Weg genommen wird?
Für die Arbeiten will er sich auf wenige Materialien – genauer: auf Kobalt- und Manganoxide - konzentrieren, um ihre Unterschiede möglichst gut herauszuarbeiten. Im ersten Schritt möchte er systematisch untersuchen, wie sich die chemische Zusammensetzung und größere strukturelle Veränderungen auf die Reaktion auswirken, um im nächsten Schritt mit diesem Wissen die Reaktion gezielt zu verbessern.
Seine Forschungsfrage hat Marcel Risch im Laufe der Zeit immer weiter geschliffen und verfeinert. Das lag allein schon an den Schritten, die er vor seiner erfolgreichen Bewerbung zum ERC Starting Grant gegangen ist: Zuerst bewarb er sich, noch vom MIT aus, um ein Emmy-Noether-Stipendium, anschließend um eine Teilnahme am Young Investigator Programm der Helmholtz-Gemeinschaft. Aus beiden Anträgen ist schließlich nichts geworden – aber die Gespräche mit der Jury und das Feedback der erfahrenen Forscher, sagt Marcel Risch, seien jeweils so fruchtbar gewesen, dass er seine Idee immer weiter entwickelt habe. Und beim ERC hat er schließlich den Zuschlag bekommen für sein Projekt, das er nun dank der Förderung unter besten Umständen angehen kann: wenn die derzeitige Anlaufphase abgeschlossen ist, soll sein Team drei Doktoranden umfassen, die zur Zeit von 2 Postdocs am HZB unterstützt werden.