Stromsignal hinterlässt in Manganitkristall magnetische Spur

Optische und kristallographische Experimente belegen erstmals, dass man magnetische Signale durch elektrische Felder erzeugen kann. Für die jetzt veröffentlichten Experimente („Magnetic phase control by an electric field“, Nature, 29. 7. 2004, 430 / 541-544) wurden Manganitkristalle (HoMnO3) mit hexagonaler Atomstruktur untersucht.

Millionenfach dienen magnetische Muster auf Computerfestplatten zur Speicherung von Daten. Die magnetischen Informationscodes werden durch externe Magnetfelder geschrieben, die bei Festplatten in schneller Folge von sehr leistungsfähig miniaturisierten Schreib-Leseköpfen erzeugt werden. Dass es auch möglich ist, nachweisbare und bleibende magnetische Spuren in speziellen Kristallen durch reine Stromsignale zu erzeugen, konnte jetzt erstmals von Wissenschaftlern der Universität Tübingen und der Berliner Forschungszentren Max-Born-Institut und Hahn-Meitner-Institut nachgewiesen werden. Weil sich hierdurch neue Ansätze für die Datenspeicherung durch magnetoelektrische Effekte eröffnen, ist der Gegenstand der Untersuchung für die Informations-Technologie von großem Interesse. 

Für die jetzt veröffentlichten Experimente („Magnetic phase control by an electric field“, Nature, 29. 7. 2004, 430 / 541-544) wurden Manganitkristalle (HoMnO3) mit hexagonaler Atomstruktur unter Stickstoffkühlung untersucht. In laseroptischen Experimenten konnte dabei der Einfluss eines elektrischen Feldes auf die magnetische Ordnung eindeutig nachgewiesen werden. Weiterführende Neutronen-Streuexperimente in Berlin zeigten, dass die elektrischen Felder Änderungen der Abstände von Atomen bewirken und so zur Ausbildung bleibender ferromagnetischer Signale führen. 

Der Einfluss des elektrischen Feldes auf die magnetische Ordnung zeigt sich in optischen Messungen durch die Erzeugung einer „optischen zweiten Harmonischen“, mit der man die Verdopplung der Frequenz einer Lichtwelle in einem Kristall bezeichnet. Zudem wurde eine für ferromagnetisches Schalten typische Änderung der Schwingungsrichtung von Licht beim Anlegen des elektrischen Feldes beobachtet (Thomas Lottermoser, Manfred Fiebig Max-Born-Institut, Berlin). 

(Thomas Lonkai, Uwe Amann und Jörg Ihringer)Für die kristallographischen Streuexperimente mit Neutronen wurde ein Diffraktometer am Forschungsrektor im Hahn-Meitner-Institut Berlin eingesetzt (Thomas Lonkai und Dieter Hohlwein). Wie die mit hohem Aufwand und großer Exaktheit durchgeführten Messungen zeigten, verursacht die Wechselwirkung zwischen elektrischem Feld und magnetischer Ordnung feldabhängige Änderungen im Kristallgitter mit Auswirkung auf die magnetischen Austauschpfade, also feldabhängigen Änderungen der Atom-Atomabstände der magnetischen Ionen innerhalb des Kristalls. Zum Nachweis dieser mikroskopischen Effekte wurden an der Universität Tübingen neuartige Auswertungsstrategien entwickelt.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten arbeiten das Berliner Zentrum für Neutronenstreuung BENSC im Hahn-Meitner-Institut und die Universität Tübingen erfolgreich zusammen. Im Rahmen eines Kooperationsvertrages betreibt Tübingen, anfangs unter der Leitung von Wolfram Prandl, derzeit unter der Leitung von Jörg Ihringer, in Berlin das weltweit einzigartige Flat-cone Diffraktometer E2, und stellt ebenfalls die Experimentverantwortlichen – vom Erbauer des Geräts, Dieter Hohlwein bis zu den jetzigen Experimentverantwortlichen Jens-Uwe Hoffmann und Thomas Lonkai. Das Flat-cone Diffraktometer zeichnet sich unter anderem durch außerordentlich niedrige Untergrundsignale und eine exzellente Neutronenausbeute aus. Für die Zukunft ist ein Ausbau mit Flächendetektoren geplant, verbunden mit einer neuen Generation der Datenauswertung, welche auch Analysen sehr komplizierter monokristalliner Strukturen ermöglicht. Projektmittel hierfür wurden jüngst vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bewilligt.

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Ultraschnelle Dissoziation von Molekülen an BESSY II analysiert
    Science Highlight
    02.12.2024
    Ultraschnelle Dissoziation von Molekülen an BESSY II analysiert
    Ein internationales Team hat an BESSY II erstmals beobachtet, wie schwere Moleküle (Bromchlormethan) in kleinere Fragmente zerfallen, wenn sie Röntgenlicht absorbieren. Mit einer neu entwickelten Analysemethode gelang es ihnen, die ultraschnelle Dynamik dieses Prozesses sichtbar zu machen. Dabei lösen die Röntgenphotonen einen „molekularen Katapulteffekt“ aus: Leichte Atomgruppen werden zuerst herausgeschleudert, ähnlich wie Geschosse, die von einem Katapult abgeschossen werden, während die schwereren Atome – Brom und Chlor – sich deutlich langsamer trennen.
  • Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Science Highlight
    18.11.2024
    Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Um die Kapazität von Lithiumbatterien weiter zu steigern, werden neue Kathodenmaterialien entwickelt. Mehrschichtige lithiumreiche Übergangsmetalloxide (LRTMO) ermöglichen eine besonders hohe Energiedichte. Mit jedem Ladezyklus wird jedoch ihre Kapazität geringer, was mit strukturellen und chemischen Veränderungen zusammenhängt. Mit Röntgenuntersuchungen an BESSY II hat nun ein Team aus chinesischen Forschungseinrichtungen diese Veränderungen erstmals experimentell mit höchster Präzision vermessen: Mit dem einzigartigen Röntgenmikroskop konnten sie morphologische und strukturelle Entwicklungen auf der Nanometerskala beobachten und dabei auch chemische Veränderungen aufklären.

  • BESSY II: Neues Verfahren für bessere Thermokunststoffe
    Science Highlight
    04.11.2024
    BESSY II: Neues Verfahren für bessere Thermokunststoffe
    Umweltfreundliche Thermoplaste aus nachwachsenden Rohstoffen lassen sich nach Gebrauch recyclen. Ihre Belastbarkeit lässt sich verbessern, indem man sie mit anderen Thermoplasten mischt. Um optimale Eigenschaften zu erzielen, kommt es jedoch auf die Grenzflächen in diesen Mischungen an. Ein Team der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden hat nun an BESSY II untersucht, wie sich mit einem neuen Verfahren aus zwei Grundmaterialien thermoplastische „Blends“ mit hoher Grenzflächenfestigkeit herstellen lassen: Aufnahmen an der neuen Nanostation der IRIS-Beamline zeigten, dass sich dabei nanokristalline Schichten bilden, die die Leistungsfähigkeit des Materials erhöhen.