Informationstechnologien der Zukunft: Antiferromagnetisches Dysprosium zeigt magnetisches Schalten mit weniger Energie

Ein kurzer Laserpuls trifft auf die Dysprosium-Probe und verändert deren magnetische Ordnung. Dies geschieht deutlich rascher, wenn das Dysprosium vorher antiferromagnetisch (links) war als wenn es ferromagnetisch war (rechts).

Ein kurzer Laserpuls trifft auf die Dysprosium-Probe und verändert deren magnetische Ordnung. Dies geschieht deutlich rascher, wenn das Dysprosium vorher antiferromagnetisch (links) war als wenn es ferromagnetisch war (rechts). © HZB

Das Titelblatt der Printausgabe von PRL (10. November 2017) verweist schon auf die Studie von Nele Thielemann-Kühn und Kollegen. Außerdem wurde sie als Highlight und als Focus story in Physics hervorgehoben.

Das Titelblatt der Printausgabe von PRL (10. November 2017) verweist schon auf die Studie von Nele Thielemann-Kühn und Kollegen. Außerdem wurde sie als Highlight und als Focus story in Physics hervorgehoben.

HZB-Wissenschaftler haben einen Mechanismus identifiziert, mit dem sich möglicherweise schnellere und energiesparendere magnetische Speicher realisieren lassen. Sie verglichen, wie unterschiedliche magnetische Ordnungen im Seltenerd-Metall Dysprosium auf einen kurzen Laserpuls reagieren. Dabei fanden sie heraus, dass sich die magnetische Ordnung sehr viel schneller und mit deutlich geringerem Energieeinsatz verändern lässt, wenn die magnetischen Momente der einzelnen Atome nicht alle in dieselbe Richtung weisen (ferromagnetisch), sondern gegeneinander verdreht sind (antiferromagnetisch). Die Studie erschien am 6.11.2017 in der Fachzeitschrift Physical Review Letters und schmückt auch die Titelseite.

Dysprosium ist nicht nur das Element mit den stärksten magnetischen Momenten, sondern besitzt auch eine weitere interessante Eigenschaft: Je nach Temperatur weisen in Dysprosium die magnetischen Momente entweder alle in dieselbe Richtung (ferromagnetisch) oder sind gegeneinander verdreht (antiferromagnetisch).  Somit lässt sich an ein und derselben Probe untersuchen, wie sich unterschiedlich angeordnete magnetische Momente verhalten, wenn sie durch einen äußeren Energiepuls angeregt werden.  

Magnetische Ordnung an BESSY II untersucht

Die Physikerin Dr. Nele Thielemann-Kühn hat nun an BESSY II diese Fragestellung untersucht. Die Röntgenquelle BESSY II ermöglicht es als eine der wenigen Einrichtungen weltweit, schnelle Prozesse wie die Störung magnetischer Ordnung zu beobachten. Ihr Befund: In antiferromagnetischem Dysprosium lässt sich die magnetische Ordnung durch einen kurzen Laserpuls deutlich leichter umschalten als in ferromagnetischem Dysprosium. „Das hängt damit zusammen, dass atomare magnetische Momente mit einem Drehimpuls wie bei einem sich drehenden Kreisel verknüpft sind“, erklärt Thielemann-Kühn. Einen rotierenden Kreisel umzustoßen erfordert Kraft, da dessen Drehimpuls auf einen anderen Körper übertragen werden muss. „Albert Einstein und Wander Johannes de Haas haben schon 1915 in einem berühmten Experiment gezeigt, dass wenn sich in einem frei aufgehängten Eisenstab die Magnetisierung ändert, der Stab anfängt sich zu drehen: Die Drehimpulse der atomaren Magnete werden an den Stab als Ganzes übertragen. Zeigen die atomaren magnetischen Momente anfangs bereits in unterschiedliche Richtungen, können sie ihre Drehimpulse untereinander austauschen, so als würde man zwei entgegengesetzt rotierende Kreisel gegeneinander drücken“, erläutert Gruppenleiter Dr. Christian Schüssler-Langeheine.

Ergebnis: Antiferromagnetische Ordnung schaltet schneller

Die Übertragung von Drehimpuls benötigt Zeit. Eine antiferromagnetische Ordnung, bei der diese Übertragung nicht erforderlich ist, sollte sich deshalb schneller stören lassen, als eine ferromagnetische Ordnung. Der experimentelle Beweis für diese Vermutung wurde jetzt in der Studie von Thielemann-Kühn und Kollegen erbracht. Darüber hinaus fand das Team auch heraus, dass der Energieeinsatz im Fall der antiferromagnetischen Momente deutlich geringer ist als für den Fall der ferromagnetischen Ordnung.

Aus dieser Beobachtung leiten die Wissenschaftler Vorschläge ab, wie sich durch eine Kombination von ferro- und antiferromagnetisch angeordneten Spins Materialien entwickeln ließen, die als magnetische Speicher geeignet sind und mit erheblich geringerem Energieeinsatz umgeschaltet werden könnten, als konventionelle Magneten. 

Zur Publikation in Physical Review Letters (06 November 2017): Ultrafast and energy-efficient quenching of spin order: Antiferromagnetism beats ferromagnetism; Nele Thielemann-Kühn, Daniel Schick, Niko Pontius, Christoph Trabant, Rolf Mitzner, Karsten Holldack, Hartmut Zabel, Alexander Föhlisch, Christian Schüßler-Langeheine

DOI: 10.1103/PhysRevLett.119.197202

Hervorgehoben als Focus story in "Physics": Quick Changes in Magnetic Materials

 

red./arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Science Highlight
    18.11.2024
    Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Um die Kapazität von Lithiumbatterien weiter zu steigern, werden neue Kathodenmaterialien entwickelt. Mehrschichtige lithiumreiche Übergangsmetalloxide (LRTMO) ermöglichen eine besonders hohe Energiedichte. Mit jedem Ladezyklus wird jedoch ihre Kapazität geringer, was mit strukturellen und chemischen Veränderungen zusammenhängt. Mit Röntgenuntersuchungen an BESSY II hat nun ein Team aus chinesischen Forschungseinrichtungen diese Veränderungen erstmals experimentell mit höchster Präzision vermessen: Mit dem einzigartigen Röntgenmikroskop konnten sie morphologische und strukturelle Entwicklungen auf der Nanometerskala beobachten und dabei auch chemische Veränderungen aufklären.

  • BESSY II: Neues Verfahren für bessere Thermokunststoffe
    Science Highlight
    04.11.2024
    BESSY II: Neues Verfahren für bessere Thermokunststoffe
    Umweltfreundliche Thermoplaste aus nachwachsenden Rohstoffen lassen sich nach Gebrauch recyclen. Ihre Belastbarkeit lässt sich verbessern, indem man sie mit anderen Thermoplasten mischt. Um optimale Eigenschaften zu erzielen, kommt es jedoch auf die Grenzflächen in diesen Mischungen an. Ein Team der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden hat nun an BESSY II untersucht, wie sich mit einem neuen Verfahren aus zwei Grundmaterialien thermoplastische „Blends“ mit hoher Grenzflächenfestigkeit herstellen lassen: Aufnahmen an der neuen Nanostation der IRIS-Beamline zeigten, dass sich dabei nanokristalline Schichten bilden, die die Leistungsfähigkeit des Materials erhöhen.
  • Wasserstoff: Durchbruch bei Alkalischen Membran-Elektrolyseuren
    Science Highlight
    28.10.2024
    Wasserstoff: Durchbruch bei Alkalischen Membran-Elektrolyseuren
    Einem Team aus Technischer Universität Berlin, Helmholtz-Zentrum Berlin, Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg (IMTEK) und Siemens Energy ist es gelungen, eine hocheffiziente alkalische Membran-Elektrolyse Zelle erstmals im Labormaßstab in Betrieb zu nehmen. Das Besondere: Der Anodenkatalysator besteht dabei aus preisgünstigen Nickelverbindungen und nicht aus begrenzt verfügbaren Edelmetallen. An BESSY II konnte das Team die katalytischen Prozesse durch operando Messungen im Detail darstellen, ein Theorie Team (USA, Singapur) lieferte eine konsistente molekulare Beschreibung. In Freiburg wurden mit einem neuen Beschichtungsverfahren Kleinzellen gebaut und im Betrieb getestet. Die Ergebnisse sind im renommierten Fachjournal Nature Catalysis publiziert.