Rad mit dreifacher Schallgeschwindigkeit zur Pulsauswahl an BESSY II

Skizze des MHz-Lichtchoppers, der sich mit bis zu dreifacher Schallgeschwindigkeit dreht.

Skizze des MHz-Lichtchoppers, der sich mit bis zu dreifacher Schallgeschwindigkeit dreht. © K. Holldack/HZB

Um gezielt einen von 400 Röntgenblitzen an BESSY II herauszupicken, haben Teams aus dem Forschungszentrum Jülich, dem MPI für Mikrostrukturphysik Halle und dem HZB einen extrem rasch rotierenden MHz-Lichtchopper entwickelt – ein Kernstück des neuen gemeinsamen Labors Uppsala-Berlin zur Extraktion des Hybrid-Pulses aus der 200-Nanosekunden-Lücke im Füllmuster - und an einem BESSY II Strahlrohr eingebaut. „Das vielleicht schnellste Rad der Welt“ besitzt am Rand winzige Schlitze von nur 70 Mikrometern  Breite, die sich mit dreifacher Schallgeschwindigkeit im Vakuum reibungsfrei gegen den Röntgenstrahl bewegen. Damit steht den Nutzerinnen und Nutzern nun auch im Normalbetrieb ein Single-Bunch-Modus zur Verfügung.

In Speicherringen wie BESSY II kreisen kurze Elektronenpulse und erzeugen Röntgenblitze, wenn sie an einem der fast 50 Strahlrohre vorbeikommen. Viele Experimente nutzen aber gar nicht alle der 400 möglichen Pulse pro Umlauf, die der Elektronenstrahl erzeugt, sondern erfordern nur einen einzigen Puls. Damit nur dieser gewünschte Puls die Probe erreicht und alle anderen ausgeblendet werden, könnte man ein Rad mit Löchern in den Strahlengang setzen, das mit den Elektronen im Ring synchron läuft. Doch diese einleuchtende Idee war keineswegs einfach umzusetzen:  denn dieses Rad muss so schnell sein, dass es den Röntgenstrahl alle 800 Nanosekunden (ns) passieren lässt – es muss sich also mit der dreifachen Schallgeschwindigkeit von rund 1 km/s drehen und ist dabei enormen Materialbelastungen durch Fliehkräfte ausgesetzt.

Tatsächlich ist es nun einem Team aus Physikern und Ingenieuren aus dem Forschungszentrum Jülich, dem Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik Halle/S. und dem HZB gelungen, so ein Gerät zu entwickeln und im Dauerbetrieb an einem BESSY II Strahlrohr bereitzustellen. Es besteht  aus einer speziell geformten Scheibe aus einer besonderen Aluminiumlegierung, die am äußeren  Rand winzige Schlitze von nur 70 µm Breite hat. Diese Schlitze bewegen sich mit rund 1 km/s im Vakuum reibungsfrei gegen den Röntgenstrahl. Dabei wird die Drehung mit einer ultraschnellen digitalen Regelungselektronik  hochpräzise (auf 2 ns genau) gesteuert, so  dass  nur ein einziger Röntgenpuls aus dem gesamten Puls-Zug bei BESSY II durchkommt und anderen blockiert werden. 

Experimentatoren an diesem Strahlrohr können nun selbst entscheiden, ob sie den gepulsten „Single Bunch Modus“ oder den vollen quasi-kontinuierlichen Röntgenstrahl benutzen wollen. „Dies ist besonders wichtig für die ultraschnelle Röntgenphysik und Flugzeitspektroskopie-Methoden, die in unserem Zukunftsprojekt BESSY-VSR eine große Rolle spielen werden - denn hier sollen ultrakurze  Röntgenpulse unterschiedlicher Länge bereitgestellt werden“, erklärt Karsten Holldack aus dem Institut Methoden und Instrumentierung der Forschung mit Synchrotronstrahlung am HZB.

Die Arbeit wurde jetzt im renommierten Fachjournal Optics Letters vorgestellt:Phase-locked MHz pulse selector for x-ray sources, Daniel F. Förster, Bernd Lindenau, Marko Leyendecker, Franz Janssen, Carsten Winkler, Frank O. Schumann, Jürgen Kirschner, Karsten Holldack, and Alexander Föhlisch

Optics Letters, Vol. 40, 10, (2015); doi:10.1364/OL.40.002265 

KH/arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Ultraschnelle Dissoziation von Molekülen an BESSY II analysiert
    Science Highlight
    02.12.2024
    Ultraschnelle Dissoziation von Molekülen an BESSY II analysiert
    Ein internationales Team hat an BESSY II erstmals beobachtet, wie schwere Moleküle (Bromchlormethan) in kleinere Fragmente zerfallen, wenn sie Röntgenlicht absorbieren. Mit einer neu entwickelten Analysemethode gelang es ihnen, die ultraschnelle Dynamik dieses Prozesses sichtbar zu machen. Dabei lösen die Röntgenphotonen einen „molekularen Katapulteffekt“ aus: Leichte Atomgruppen werden zuerst herausgeschleudert, ähnlich wie Geschosse, die von einem Katapult abgeschossen werden, während die schwereren Atome – Brom und Chlor – sich deutlich langsamer trennen.
  • Protonen gegen Krebs: Neue Forschungsbeamline für innovative Strahlentherapien
    Nachricht
    27.11.2024
    Protonen gegen Krebs: Neue Forschungsbeamline für innovative Strahlentherapien
    Das HZB hat gemeinsam mit der Universität der Bundeswehr München eine neue Beamline für die präklinische Forschung eingerichtet. Sie ermöglicht künftig am HZB Experimente an biologischen Proben zu innovativen Strahlentherapien mit Protonen.
  • Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Science Highlight
    18.11.2024
    Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Um die Kapazität von Lithiumbatterien weiter zu steigern, werden neue Kathodenmaterialien entwickelt. Mehrschichtige lithiumreiche Übergangsmetalloxide (LRTMO) ermöglichen eine besonders hohe Energiedichte. Mit jedem Ladezyklus wird jedoch ihre Kapazität geringer, was mit strukturellen und chemischen Veränderungen zusammenhängt. Mit Röntgenuntersuchungen an BESSY II hat nun ein Team aus chinesischen Forschungseinrichtungen diese Veränderungen erstmals experimentell mit höchster Präzision vermessen: Mit dem einzigartigen Röntgenmikroskop konnten sie morphologische und strukturelle Entwicklungen auf der Nanometerskala beobachten und dabei auch chemische Veränderungen aufklären.