Elektronenspin-Flips unter neuem Licht

Karsten Holldack, Alexander Schnegg und Joscha Nehrkorn am THz-EPR Messplatz am Speicherring BESSY II. <span><span><br /></span></span>

Karsten Holldack, Alexander Schnegg und Joscha Nehrkorn am THz-EPR Messplatz am Speicherring BESSY II.
© HZB

Wissenschaftler im Berlin Joint EPR Lab am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und der University of Washington (UW) haben eine neue theoretische Beschreibung ausgearbeitet, die es erlaubt, Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen Spin-Zuständen in „Elektronen Paramagnetische Resonanz“ (EPR)-Experimenten mit beliebiger Orientierung und Polarisation der anregenden Strahlung zu berechnen. Die Physiker haben den neuen Ansatz bereits mit einem Terahertz-EPR-Experiment an der Synchrotronquelle BESSY II getestet und veröffentlichen ihre Arbeit am 6. Januar 2015 im renommierten Fachjournal Physical Review Letters (DOI 10.1103/PhysRevLett.114.010801).

Elektronenspins sind Quantenobjekte mit faszinierenden Eigenschaften. Sie können als empfindliche Sonden genutzt werden, um die Struktur von Materialien auf atomarer Ebene zu untersuchen. Dabei verhalten sich Elektronenspins wie winzige Magnete, die in einem äußeren Magnetfeld entweder parallel oder antiparallel ausgerichtet werden. Elektromagnetische Strahlung ist genau dann in der Lage Übergänge zwischen diesen beiden Zuständen (Spin-Flips) herbeizuführen, wenn ihre Energie genau dem Energieunterschied der beiden Orientierungen entspricht. Man bezeichnet diese Methode als „Elektronen Paramagnetische Resonanz“ (EPR), mit ihr können die Wechselwirkungsenergien der Spins untersucht und ihre Zustände manipuliert werden. Die Wahrscheinlichkeit für einen EPR-induzierten Spin-Flip hängt davon ab, wie die magnetische Komponente der elektromagnetischen Strahlung gegenüber dem äußeren Magnetfeld orientiert ist. Hier bestand bisher eine Lücke in der theoretischen Beschreibung, da Übergangswahrscheinlichkeiten bislang nur für wenige experimentelle Anordnungen berechnet werden.

Gleichungen für jede Geometrie

Joscha Nehrkorn, Alexander Schnegg, Karsten Holldack (HZB) und Stefan Stoll (UW) ist es nun gelungen diese Beschränkung zu überwinden und Gleichungen abzuleiten, die die Übergangswahrscheinlichkeiten auch für andere experimentellen Anordnungen beschreiben. Die Gleichungen gelten für beliebige Ausrichtungen der anregenden Strahlung gegenüber dem äußeren Feld und für beliebig polarisierte Strahlung. „ Auf der Basis dieser Theorie haben wir ein allgemeinzugängliches Computerprogramm entwickelt, das es erlaubt die Ergebnisse von EPR-Experimenten  zu interpretieren und sogar vorherzusagen, die bisher nur teilweise verstanden wurden“ erklärt Joscha Nehrkorn.

Test bereits gelungen

Um ihren Ansatz zu testen, haben die Autoren die Spins von dreiwertigen Eisenatomen in kleinen organischen Molekülen, so genannten Porphyrinen, in einem hohen Magnetfeld ausgerichtet und dann mit intensiver linear polarisierter THz-Strahlung aus dem Elektronenspeicherring BESSY II des HZB bestrahlt. Dabei variierten sie die Richtung der magnetischen Komponente der THz-Strahlung relativ zum äußeren Magnetfeld. Durch den Vergleich zwischen berechneten und experimentell ermittelten EPR-Signalen konnten sie die Richtigkeit des neuen theoretischen Ansatzes überprüfen. „Das Experiment zeigt auf eindrucksvolle Weise das Potential der kohärenten Synchrotronstrahlung für THz-EPR Experimente. Diese Möglichkeiten können in Zukunft durch BESSY VSR, die nächste Ausbaustufe unserer Strahlungsquelle, sogar noch gesteigert werden“ erläutert Karsten Holldack, der den THz-Messplatz wissenschaftlich betreut.

Alexander Schnegg, der das Projekt im Rahmen des DFG Schwerpunktprogrammes SPP 1601 durchführt, erklärt: „Diese Weiterentwicklungen in der EPR-Methodik können zukünftig helfen, die Aussagekraft von EPR-Experimenten z.B. für Fragestellungen in den Lebenswissenschaften, neuen Informationstechnologien (Spintronik, Quantencomputer) oder in der Forschung an Energiematerialien deutlich zu steigern und bereiten den Weg für neuartige EPR-Experimente.“

Den Beitrag finden Sie hier:
General Magnetic Transition Dipole Moments for Electron Paramagnetic Resonance (Autoren: J. Nehrkorn, A. Schnegg, K. Holldack and S. Stoll), Physical Review Letters.

red.

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Ernst-Eckhard-Koch-Preis und Innovationspreis Synchrotronstrahlung
    Nachricht
    13.12.2024
    Ernst-Eckhard-Koch-Preis und Innovationspreis Synchrotronstrahlung
    Auf dem diesjährigen Nutzertreffen zeichnete  der Freundeskreis des HZB die herausragende Promotionsarbeit von Dr. Dieter Skroblin von der Technischen Universität Berlin mit dem Ernst-Eckhard-Koch-Preis aus. Der Europäische Innovationspreis Synchrotronstrahlung ging an Dr. Manfred Faubel vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen und Dr. Bernd Winter vom Fritz-Haber-Institut in Berlin.
  • Modernisierung der Röntgenquelle BESSY II
    Nachricht
    11.12.2024
    Modernisierung der Röntgenquelle BESSY II
    Im Fokus des Nutzertreffens 2024: Das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) stellt das Upgrade-Programm BESSY II+ vor.  Es ermöglicht, die Weltklasse-Forschung an BESSY II weiter auszubauen und neue Konzepte im Hinblick auf die Nachfolgequelle BESSY III zu erproben.  

  • Weniger ist mehr: Warum ein sparsamer Iridium-Katalysator so gut funktioniert
    Science Highlight
    05.12.2024
    Weniger ist mehr: Warum ein sparsamer Iridium-Katalysator so gut funktioniert
    Für die Produktion von Wasserstoff mit Elektrolyse werden Iridiumbasierte Katalysatoren benötigt. Nun zeigt ein Team am HZB und an der Lichtquelle ALBA, dass die neu entwickelten P2X-Katalysatoren, die mit nur einem Viertel des Iridiums auskommen, ebenso effizient und langzeitstabil sind wie die besten kommerziellen Katalysatoren. Messungen an BESSY II haben nun ans Licht gebracht, wie die besondere chemische Umgebung im P2X-Kat während der Elektrolyse die Wasserspaltung befördert.