Elektronenspins mit Licht steuern

Die Abbildung zeigt die typische Spintextur (Pfeile) eines topologischen Isolators (unten) und wie diese durch zirkular polarisiertes Licht entweder gemessen (oben) oder kontrolliert verändert wird (Mitte).

Die Abbildung zeigt die typische Spintextur (Pfeile) eines topologischen Isolators (unten) und wie diese durch zirkular polarisiertes Licht entweder gemessen (oben) oder kontrolliert verändert wird (Mitte). © Rader/Sánchez-Barriga/HZB

HZB-Wissenschaftler beeinflussen den Elektronenspin an der Oberfläche Topologischer Isolatoren gezielt mit Licht

Topologische Isolatoren gelten als vielversprechende Materialklasse für die Entwicklung zukünftiger elektronischer Bausteile. Ein Forscherteam am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) hat jetzt herausgefunden, wie man mit Licht die physikalischen Eigenschaften der Elektronen in diesen Materialien verändern kann. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Physical Review X“ veröffentlicht.

Die erst vor wenigen Jahren entdeckte Materialklasse der Topologischen Isolatoren zeichnet sich durch erstaunliche Eigenschaften aus: Sie verhalten sich im Innern elektrisch isolierend, bilden an der Oberfläche jedoch metallisch leitende Zustände. Der Spin der Elektronen, also ihre Drehung um die eigene Achse, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Drehrichtung ist hier nämlich direkt mit ihrer Bewegungsrichtung gekoppelt. Das führt sowohl zu einer hohen Stabilität der metallischen Eigenschaft wie auch zu einer besonders verlustarmen elektrischen Leitung. Topologische Isolatoren werden daher als interessante und vielversprechende Kandidaten für neuartige Bauelemente in der Informationstechnologie gehandelt.

Als besonders innovativ gilt der Ansatz, in derartigen Bauelementen den Elektronenspin an der Oberfläche mithilfe von Licht zu beeinflussen. Der HZB-Wissenschaftler Prof. Dr. Oliver Rader und sein Team haben nun herausgefunden, durch welche Einflüsse sich die Spins an der Oberfläche der Topologischen Isolatoren verändern lassen. Dazu haben die Forscher Experimente mit Licht unterschiedlicher Energie beziehungsweise Wellenlänge gemacht.

Die Wellenlänge macht den Unterschied
An der Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II untersuchten sie den Topologischen Isolator Bismutselenid (Bi2Se3) mit einer als „spinauflösende Photoelektronenspektroskopie“ bezeichneten Methode – und kamen zu verblüffenden Erkenntnissen: Sie fanden heraus, dass es einen wesentlichen Unterschied macht, ob die Elektronen an der Oberfläche des Materials mit zirkular polarisiertem Licht im vakuumultravioletten Bereich (50-70 Elektronenvolt) oder mit ultraviolettem Laserlicht (6 Elektronenvolt) anregt werden.
Sie konnten beweisen, dass sie den Spin der Elektronen bei den höheren Energien, wie sie typischerweise am Synchrotron zum Einsatz kommen, messen können, ohne ihn zu verändern. „Bei der Anregung mit 50 Elektronenvolt weisen die emittierten Elektronen die für Topologische Isolatoren typische Spintextur auf“, sagt Dr. Jaime Sánchez-Barriga, der die Messungen durchgeführt hat: „Die Spins der Elektronen laufen hier in der Oberflächenebene im Kreis, ähnlich wie auf einem Verkehrsschild für Kreisverkehr.“ Dies ist der Grundzustand der Elektronen in der Oberfläche der Topologischen Isolatoren.

Bei der Anregung mit niederenergetischen zirkular polarisierten Photonen (6 eV) hingegen drehten sich die Spins der Elektronen komplett aus der Ebene heraus. Sie nahmen dabei sogar diejenige Spinrichtung an, die ihnen mit dem rechts- beziehungsweise linkszirkular polarisierten Licht vorgegeben wurde. Das bedeutet, dass sich der Spin gezielt manipulieren lässt – je nachdem, welches Licht zum Einsatz kommt. Das vollkommen unterschiedliche Verhalten bei unterschiedlich großen Energien können die Wissenschaftler ebenfalls erklären und auf Symmetrieeigenschaften zurückführen. „Unser Ergebnis liefert wichtige Erkenntnisse darüber, wie sich in topologischen Isolatoren verlustlose Spinströme erzeugen lassen“, sagt Oliver Rader: „Das ist für die Entwicklung sogenannter optospintronischer Bauteile wichtig, die die Verarbeitungs- und Speichergeschwindigkeit von Information enorm erhöhen könnten.“

DFG-Schwerpunktprogramm
Wegen des großen Potenzial, dass die Topologischen Isolatoren versprechen, hat die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) das Schwerpunktprogramm „Topological Insulators: Materials – Fundamental Properties – Devices“ initiiert. Es wird von Prof. Rader koordiniert und hat zum Ziel, die Physik der Oberflächenzustände in topologischen Isolatoren besser zu verstehen.

Originalpublikation: Photoemission of Bi2Se3 with Circularly Polarized Light: Probe of Spin Polarization or Means for Spin Manipulation? Phys. Rev. X 4, 011046 – Published 24 March 2014; J. Sánchez-Barriga, A. Varykhalov, J. Braun, S.-Y. Xu, N. Alidoust, O. Kornilov, J. Minár, K. Hummer, G. Springholz, G. Bauer, R. Schumann, L. V. Yashina, H. Ebert, M. Z. Hasan, and O. Rader.

HS

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Katalyseforschung mit dem Röntgenmikroskop an BESSY II
    Science Highlight
    27.03.2025
    Katalyseforschung mit dem Röntgenmikroskop an BESSY II
    Anders als in der Schule gelernt, verändern sich manche Katalysatoren doch während der Reaktion: So zum Beispiel können bestimmte Elektrokatalysatoren ihre Struktur und Zusammensetzung während der Reaktion verändern, wenn ein elektrisches Feld anliegt. An der Berliner Röntgenquelle BESSY II gibt es mit dem Röntgenmikroskop TXM ein weltweit einzigartiges Instrument, um solche Veränderungen im Detail zu untersuchen. Die Ergebnisse helfen bei der Entwicklung von innovativen Katalysatoren für die unterschiedlichsten Anwendungen. Ein Beispiel wurde neulich in Nature Materials publiziert. Dabei ging es um die Synthese von Ammoniak aus Abfallnitraten.
  • Samira Aden ist Mitglied der ETIP PV - The European Technology & Innovation Platform for Photovoltaics ESG Arbeitsgruppe.
    Nachricht
    26.03.2025
    Samira Aden ist Mitglied der ETIP PV - The European Technology & Innovation Platform for Photovoltaics ESG Arbeitsgruppe.
    Samira Jama Aden, Architektin in der Beratungstelle für bauwerkintegrierte Photovoltaik (BAIP), ist der Arbeitsgruppe “Environmental, Social and Governance (ESG)” der ETIP PV - The European Technology & Innovation Platform for Photovoltaics beigetreten.
  • BESSY II: Magnetische „Mikroblüten“ verstärken Magnetfelder im Zentrum
    Science Highlight
    25.03.2025
    BESSY II: Magnetische „Mikroblüten“ verstärken Magnetfelder im Zentrum
    Eine blütenförmige Struktur aus einer Nickel-Eisen-Legierung, die nur wenige Mikrometer misst, kann Magnetfelder lokal verstärken. Der Effekt lässt sich durch die Geometrie und Anzahl der „Blütenblätter“ steuern. Das magnetische Metamaterial wurde von der Gruppe um Dr. Anna Palau am Institut de Ciencia de Materials de Barcelona (ICMAB) mit Partnern aus dem CHIST-ERA MetaMagIC-Projekts entwickelt und nun an BESSY II in Zusammenarbeit mit Dr. Sergio Valencia untersucht. Die Mikroblüten ermöglichen vielfältige Anwendungen: Sie können die Empfindlichkeit magnetischer Sensoren erhöhen, die Energie für die Erzeugung lokaler Magnetfelder reduzieren, und am PEEM-Messplatz an BESSY II die Messung von Proben unter deutlich höheren Magnetfeldern ermöglichen.