1000. Proteinstruktur an BESSY II entschlüsselt

Der Inhibitor Ex-527 bindet einerseits an das Enzym Sirt 3 (hellgraue Oberfläche), andererseits an acetylierte ADP-Ribose; diese Substanz ist ein Produkt der von Sirt 3 zunächst ausgelösten Deacetylierung. Damit ist das Aktivzentrum des Sirtuins blockiert, so dass weitere Deacetylierungsprozesse gestoppt sind. So hat sich das Sirtuin gleich beim ersten Mal eine Falle gestellt, in der es gefangen bleibt.

Der Inhibitor Ex-527 bindet einerseits an das Enzym Sirt 3 (hellgraue Oberfläche), andererseits an acetylierte ADP-Ribose; diese Substanz ist ein Produkt der von Sirt 3 zunächst ausgelösten Deacetylierung. Damit ist das Aktivzentrum des Sirtuins blockiert, so dass weitere Deacetylierungsprozesse gestoppt sind. So hat sich das Sirtuin gleich beim ersten Mal eine Falle gestellt, in der es gefangen bleibt. © C.Steegborn

Im Juli 2013 wurde die 1000. Proteinstruktur veröffentlicht, die auf bei BESSY gemessenen Daten beruht. Dabei handelt es sich um ein Protein aus der Gruppe der Sirtuine, die bei Alterungs-, Stress- und Stoffwechselprozessen im menschlichen Organismus eine Rolle spielen. Die Wissenschaftler um Prof. Clemens Steegborn von der Universität Bayreuth konnten dabei einen raffinierten Mechanismus entschlüsseln, mit dem ein Wirkstoff die Aktivität eines Sirtuins hemmen kann. Die Ergebnisse wurden in dem renommierten Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences USA veröffentlicht und könnten Wege zu neuen Tumortherapien aufzeigen.

Bei Proteinen kommt es nicht nur auf ihre Zusammensetzung an, sondern auch darauf an, wie sie gefaltet sind. Erst ihre genaue dreidimensionale Gestalt gibt Aufschluss darüber, welche Aufgaben sie erfüllen und wie sie mit anderen Molekülen wechselwirken können. Diese Gestalt lässt sich mit der Methode der Röntgenstrukturanalyse herausfinden: Allerdings müssen die Protein dazu erst Kristalle bilden. Die Analyse dieser oft winzigen Kriställchen erfordert extrem brillantes Röntgenlicht und besondere Messbedingungen, wie sie seit rund zehn Jahren an den MX-Beamlines an BESSY II zur Verfügung stehen: „Seit 2003 gibt es die drei MX-Beamlines an BESSY II und seither haben Forscher aus aller Welt die Möglichkeit, Proteinkristalle bei uns zu analysieren“, sagt Dr. Uwe Müller, der die MX-Beamlines bei BESSY II aufgebaut hat und diese wissenschaftlich und instrumentell betreut.

Erhebliche Verbesserungen am Messplatz- Rasante Steigerung beim Durchsatz
„In den letzten Jahren haben wir den Messplatz mehrfach erheblich verbessern können, das zeigt sich auch in dem rasant angestiegenen Durchsatz!“ Erst 2010 hatten Forscher der Bayer Healthcare Pharmaceuticals Berlin die 500. Struktur bestimmt, das Protein PIM-1.  „Nur zwei Jahre später, im Mai 2012, wurden von der Steegborn-Gruppe die Daten gemessen, die jetzt zur Veröffentlichung der 1000. Struktur geführt haben“, sagt Dr. Manfred Weiss, der zusammen mit Müller als HZB-Wissenschaftler für die MX-Beamlines verantwortlich ist. Der weitaus überwiegende Teil dieser veröffentlichten Strukturen stammt dabei aus der öffentlich finanzierten Forschung. Zwar nutzen auch Wissenschaftler aus der Industrie die Möglichkeiten an BESSY II, aber die meisten Industriestrukturen erblicken niemals das Licht der Öffentlichkeit. Seit Februar 2013 ermöglicht der neue Detektor PILATUS-6M sogar noch deutlich genauere Einblicke in die komplexen Faltungen der Lebensbausteine. „Für unsere Nutzer ist der PILATUS-Detektor ein weiterer Riesenfortschritt. Aufgrund seiner Größe, seiner Rauschfreiheit und seiner Schnelligkeit ist PILATUS-6M das Beste, was es momentan im Bereich Detektoren für Röntgenkristallographie auf dem Markt gibt.“, sagt Dr. Uwe Müller.

Die 1000. Struktur brachte medizinisch spannende Einblicke
Die Analyse des 1000. Proteins ist auch deshalb ein besonderes Highlight, weil das Ergebnis große Relevanz für die medizinische Forschung haben könnte:  Denn Sirtuine regulieren Stoffwechsel, Stressantworten und Alterungsprozesse im Körper und einige Sirtuine (z.B. Sirt-1 und Sirt-3) spielen auch bei der Krebsentstehung eine Rolle. Ihre Aktivität gezielt mit einem Wirkstoff zu hemmen gilt als interessanter Ansatz für neue Tumortherapien.  Mit ihrer Analyse hat die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Clemens Steegborn an der Universität Bayreuth aufklären können, wie die Aktivität von Sirt-1 und Sirt-3 durch das Molekül Ex-527 unterdrückt wird. „Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass Ex-527 ein Inhibitor mit einer ungewöhnlichen und zugleich sehr Sirtuin-spezifischen Wirkungsweise ist“, erklärt Steegborn. „Wenn es mit Hilfe unserer Einsichten gelingt,  gezielt nur die Aktivität eines einzigen Sirtuins zu hemmen, könnte dies ein Ansatz für eine wirksame Therapie mit nur minimalen Nebenwirkungen werden“, hofft Steegborn. Diese Ergebnisse aus der Grundlagenforschung sind daher für die medizinische Forschungen und die Entwicklung von Wirkstoffen hoch interessant.

Feier mit Preisübergabe am 16.10.2013
Am 16. Oktober 2013 werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der MX-Beamline das Ereignis mit einem Symposium feiern und Clemens Steegborn dabei einen Preis übergeben.


Zur Presseinfo der Uni Bayreuth

Zur Veröffentichung in den PNAS 2013; 8.-12. Juli
DOI: 10.1073/pnas.1303628110

Zusatzinfo für Experten:
Die Struktur ist in der Proteinstrukturdatenbank unter dem Code 4BVH zu finden:

arö

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Ernst-Eckhard-Koch-Preis und Innovationspreis Synchrotronstrahlung
    Nachricht
    13.12.2024
    Ernst-Eckhard-Koch-Preis und Innovationspreis Synchrotronstrahlung
    Auf dem diesjährigen Nutzertreffen zeichnete  der Freundeskreis des HZB die herausragende Promotionsarbeit von Dr. Dieter Skroblin von der Technischen Universität Berlin mit dem Ernst-Eckhard-Koch-Preis aus. Der Europäische Innovationspreis Synchrotronstrahlung ging an Dr. Manfred Faubel vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen und Dr. Bernd Winter vom Fritz-Haber-Institut in Berlin.
  • Modernisierung der Röntgenquelle BESSY II
    Nachricht
    11.12.2024
    Modernisierung der Röntgenquelle BESSY II
    Im Fokus des Nutzertreffens 2024: Das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) stellt das Upgrade-Programm BESSY II+ vor.  Es ermöglicht, die Weltklasse-Forschung an BESSY II weiter auszubauen und neue Konzepte im Hinblick auf die Nachfolgequelle BESSY III zu erproben.  

  • Weniger ist mehr: Warum ein sparsamer Iridium-Katalysator so gut funktioniert
    Science Highlight
    05.12.2024
    Weniger ist mehr: Warum ein sparsamer Iridium-Katalysator so gut funktioniert
    Für die Produktion von Wasserstoff mit Elektrolyse werden Iridiumbasierte Katalysatoren benötigt. Nun zeigt ein Team am HZB und an der Lichtquelle ALBA, dass die neu entwickelten P2X-Katalysatoren, die mit nur einem Viertel des Iridiums auskommen, ebenso effizient und langzeitstabil sind wie die besten kommerziellen Katalysatoren. Messungen an BESSY II haben nun ans Licht gebracht, wie die besondere chemische Umgebung im P2X-Kat während der Elektrolyse die Wasserspaltung befördert.