Magnetoelektrische Kopplung beleuchtet

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme des Nanokomposits in der Aufsicht.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme des Nanokomposits in der Aufsicht. © Uni Duisburg

Der Effekt führt zu neuen Möglichkeiten der digitalen Datenspeicherung

Es ist möglich, elektrische Eigenschaften von Festkörpern mithilfe von magnetischen Eigenschaften gezielt zu beeinflussen. Dies haben Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen in Kooperation mit HZB-Wissenschaftlern aus dem Institut Komplexe Magnetische Materialien nachgewiesen. Der Nachweis gelang mithilfe von Experimenten an der Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II. Der Effekt – magnetoelektrische Kopplung genannt – kann genutzt werden, um neuartige Computerspeicher zu entwickeln, die sowohl schneller sind als heutige und außerdem weniger Strom verbrauchen. Die Wissenschaftler veröffentlichen ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Communications“.

Dr. Carolin Schmitz-Antoniak aus dem Duisburger Team um Prof. Heiko Wende hat ein Material aus Bariumtitanat verwendet, in das winzige, nur wenige hundert Nanometer große Säulen aus Cobaltferrit eingebettet sind. Dabei zeigen die Nanosäulen magnetostriktive Eigenschaften. Das heißt, bei Anlegen eines Magnetfeldes verformen sie sich unter Erhaltung ihres Volumens. Die umgebende Matrix ist piezoelektrisch. Das heißt, sie baut eine elektrische Spannung auf, wenn sie unter mechanischem Druck steht.

Mit dieser Materialanordnung haben die Wissenschaftler die Nanosäulen durch Anlegen eines Magnetfeldes verformt und so mechanischen Druck auf die Matrix ausgeübt, so dass dort eine elektrische Spannung induziert wurde.

Dass dies gelang, zeigten die Untersuchungen an BESSY II. Sie wurden in Kooperation mit Dr. Detlef Schmitz vom Institut Komplexe Magnetische Materialien durchgeführt. In der Hochfeldkammer am Strahlrohr UE46-PGM1 wurde weiche Röntgenstrahlung verwendet und dabei auch die einzigartige Möglichkeit genutzt, die die Hochfeldkammer bietet: Man kann dort das angelegte Magnetfeld relativ zu der Polarisationsrichtung des verwendeten Röntgenlichts drehen. Unter Ausnutzung der Kombination des sogenannten Zirkulardichroismus und des Lineardichroismus bekamen die Wissenschaftler Informationen über den Magnetismus sowie über die elektrische Polarisation der beteiligten Atome.

Darüber hinaus wurden in Kooperation mit Dr. Esther Dudzik und Dr. Ralf Feyerherm vom selben HZB-Institut Untersuchungen mit harter Röntgenstrahlung am MAGS-Strahlrohr durchgeführt. Die dabei gewonnenen Informationen über die Kristallstruktur bestätigten die Deformation der Matrix durch das angelegte Magnetfeld.

Alle Informationen zusammen gaben dem Forscherteam schließlich ein Bild davon, wie die Steuerung der elektrische Polarisation mit Magnetfeldern funktioniert. Sie beruht auf winzigsten Verschiebungen der Atome in dem Komposit-Material: Legt man entlang der langen Säulenachse ein Magnetfeld an, so ziehen sich die Säulen in dieser Richtung zusammen. Ihr Umfang vergrößert sich dabei, und so drücken sie an allen Seiten auf die umgebende Matrix. Unter dem Druck baut diese eine elektrische Polarisation auf.

Verläuft das Magnetfeld hingegen senkrecht zu den Säulen, ziehen sich diese in Feldrichtung zusammen, während sie sich quer dazu ausdehnen. So wird die Matrix nur quer zum Magnetfeld gestaucht und bildet eine asymmetrische elektrische Polarisationsverteilung aus, die in diesem System zuvor noch niemand beobachtet hat.

Für die digitale Datenspeicherung wird das System dadurch interessant, dass die elektrische Polarisation auch noch erhalten bleibt, wenn das Magnetfeld wieder ausgeschaltet ist. Die Forscher haben deshalb bereits eine Strategie entwickelt, um einzelne Säulen durch Strompulse in Längs- und Querrichtung gezielt zu stauchen, um so Informationen bitweise einzuschreiben.

Zur Publikation: DOI: 10.1038/ncomms3051

Presseinfo der Uni Duisburg-Essen

IH

  • Link kopieren

Das könnte Sie auch interessieren

  • Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Science Highlight
    18.11.2024
    Batterieforschung mit dem HZB-Röntgenmikroskop
    Um die Kapazität von Lithiumbatterien weiter zu steigern, werden neue Kathodenmaterialien entwickelt. Mehrschichtige lithiumreiche Übergangsmetalloxide (LRTMO) ermöglichen eine besonders hohe Energiedichte. Mit jedem Ladezyklus wird jedoch ihre Kapazität geringer, was mit strukturellen und chemischen Veränderungen zusammenhängt. Mit Röntgenuntersuchungen an BESSY II hat nun ein Team aus chinesischen Forschungseinrichtungen diese Veränderungen erstmals experimentell mit höchster Präzision vermessen: Mit dem einzigartigen Röntgenmikroskop konnten sie morphologische und strukturelle Entwicklungen auf der Nanometerskala beobachten und dabei auch chemische Veränderungen aufklären.

  • BESSY II: Neues Verfahren für bessere Thermokunststoffe
    Science Highlight
    04.11.2024
    BESSY II: Neues Verfahren für bessere Thermokunststoffe
    Umweltfreundliche Thermoplaste aus nachwachsenden Rohstoffen lassen sich nach Gebrauch recyclen. Ihre Belastbarkeit lässt sich verbessern, indem man sie mit anderen Thermoplasten mischt. Um optimale Eigenschaften zu erzielen, kommt es jedoch auf die Grenzflächen in diesen Mischungen an. Ein Team der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden hat nun an BESSY II untersucht, wie sich mit einem neuen Verfahren aus zwei Grundmaterialien thermoplastische „Blends“ mit hoher Grenzflächenfestigkeit herstellen lassen: Aufnahmen an der neuen Nanostation der IRIS-Beamline zeigten, dass sich dabei nanokristalline Schichten bilden, die die Leistungsfähigkeit des Materials erhöhen.
  • Wasserstoff: Durchbruch bei Alkalischen Membran-Elektrolyseuren
    Science Highlight
    28.10.2024
    Wasserstoff: Durchbruch bei Alkalischen Membran-Elektrolyseuren
    Einem Team aus Technischer Universität Berlin, Helmholtz-Zentrum Berlin, Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg (IMTEK) und Siemens Energy ist es gelungen, eine hocheffiziente alkalische Membran-Elektrolyse Zelle erstmals im Labormaßstab in Betrieb zu nehmen. Das Besondere: Der Anodenkatalysator besteht dabei aus preisgünstigen Nickelverbindungen und nicht aus begrenzt verfügbaren Edelmetallen. An BESSY II konnte das Team die katalytischen Prozesse durch operando Messungen im Detail darstellen, ein Theorie Team (USA, Singapur) lieferte eine konsistente molekulare Beschreibung. In Freiburg wurden mit einem neuen Beschichtungsverfahren Kleinzellen gebaut und im Betrieb getestet. Die Ergebnisse sind im renommierten Fachjournal Nature Catalysis publiziert.