Wie sich Fußball-Moleküle unter Oberflächen schieben - HZB-Forscher beobachten atomare Vorgänge beim Dotieren von Halbleitermaterialien

Mikroskopische Aufnahme einer Graphenschicht auf Nickel-Substrat.<br />Auf dem Bild links, aufgenommen bei einer beliebigen Vorspannung<br />der Mikroskopspitze sieht man nur dunkle Streifen. Erst wenn<br />die Vorspannung spektroskopisch gezielt auf die C60-Molek&uuml;le<br />abgestimmt wird (rechts), werden die Molek&uuml;le unter der Graphen-<br />schichtals Ursache f&uuml;r das Streifenmuster sichtbar.

Mikroskopische Aufnahme einer Graphenschicht auf Nickel-Substrat.
Auf dem Bild links, aufgenommen bei einer beliebigen Vorspannung
der Mikroskopspitze sieht man nur dunkle Streifen. Erst wenn
die Vorspannung spektroskopisch gezielt auf die C60-Moleküle
abgestimmt wird (rechts), werden die Moleküle unter der Graphen-
schichtals Ursache für das Streifenmuster sichtbar.

Wie sich Fußball-Moleküle unter Oberflächen schieben

HZB-Forscher beobachten atomare Vorgänge beim Dotieren von Halbleitermaterialien

Fulleren und Graphen, die beiden noch nicht lange bekannten Formen des Kohlenstoffs regen seit ihrer Entdeckung (Fulleren 1970, Graphen 2004) die Phantasie der Forscher an. Insbesondere mit Graphen wollen sie ein neues Kapitel der Elektronik beginnen, da das Halbleitermaterial eines Tages das Schlüsselelement Silizium ablösen könnte. Dazu muss man Graphen  - das ist eine einzelne Atomschicht Graphit - mit Fremdatomen dotieren können. Und zwar so, dass die wichtigen Struktureigenschaften des Graphens erhalten bleiben. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie (HZB) berichten in der Online-Vorabveröffentlichung der Ausgabe vom 10. August der Zeitschrift Advanced Materials (DOI: 10.1002/adma.201000695) über eine neue Mikroskopie-Technik. Mit ihr können sie zeigen, wie sich einzelne zum Dotieren verwendete Fulleren-Moleküle unter die Graphen-Schicht schieben, die zuvor auf einem Nickel-Substrat abgeschieden wurde.

Graphen ist der erste in zwei Dimensionen stabile Kristall, weil sich die Kohlenstoff-Atome in einer Honigwaben-Struktur aus Sechsecken anordnen. Beim Fulleren kommen noch einige Fünfecke hinzu, weshalb das aus 60 Kohlenstoff-Atomen bestehende Molekül auch als Fußball-Molekül bekannt geworden ist.
 
Andrei Varykhalov und seine Kollegen vom HZB haben aus Propylen per Gasphasenabscheidung eine dünne Lage Graphen auf einem Nickel-Substrat abgeschieden. Anschließend haben sie einzelne Fulleren-Moleküle zwischen die Nickel-Oberfläche und die Graphenschicht gebracht. Dies gelang durch rasches Erwärmen der Probe auf 400 Grad Celsius und anschließendes kurzes Ausglühen. Die entscheidende Technik, mit der sie das Dazwischenschieben – Interkalation genannt - der Fulleren-Moleküle beobachten konnten, war die Rastertunnelmikroskopie.

Bei dieser Messung wird eine elektrisch leitende Spitze Zeile für Zeile über die ebenfalls leitende Probenoberfläche gefahren. Spitze und Objektoberfläche berühren sich dabei nicht, so dass kein Strom fließt. Erst wenn die Mikroskopspitze der Probenoberfläche so nah kommt, dass nur wenige Nanometer dazwischen liegen, kommt es zum Tunneleffekt. Das heißt, Elektronen aus der Probenoberfläche und der Spitze treten in Austausch. Wird eine Spannung angelegt, fließt ein Tunnelstrom, der sehr empfindlich auf kleinste Abstandsänderungen reagiert.

Die HZB-Wissenschaftler konnten in ihrem Experiment die Rastertunnelmikroskopie so betreiben, dass ein deutlicher Kontrast entsteht, sobald die Spitze des Mikroskops die Fulleren-Moleküle unter der Graphen-Oberfläche wahrnimmt. Um die entscheidenden Parameter hierfür zu bekommen, haben sie die Probe am Speicherring BESSY II zunächst mit Synchrotronstrahlung untersucht.

„Mit unserem Abbildungsverfahren können wir ganz universell Interkalationsverbindungen visualisieren“, unterstreicht Andrei Varykhalov die Bedeutung der Experimente. Bei der Entwicklung der neuen Halbleitertechnologie ist ein solches Bildgebungsverfahren Voraussetzung, um neue Bauteile zu entwickeln.
Das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) betreibt und entwickelt Großgeräte für die Forschung mit Photonen (Synchrotronstrahlung) und Neutronen mit international konkurrenzfähigen oder sogar einmaligen Experimentiermöglichkeiten. Diese Experimentiermöglichkeiten werden jährlich von mehr als 2500 Gästen aus Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen weltweit genutzt. Das Helmholtz-Zentrum Berlin betreibt Materialforschung zu solchen Themen, die besondere Anforderungen an die Großgeräte stellen. Forschungsthemen sind Materialforschung für die Energietechnologien, Mag-netische Materialien und Funktionale Materialien. Im Schwerpunkt Solarenergieforschung steht die Entwicklung von Dünnschichtsolarzellen im Vordergrund, aber auch chemische Treibstoffe aus Sonnenlicht sind ein wichtiger Forschungsgegenstand. Am HZB arbeiten rund 1100 Mitarbeiter/innen, davon etwa 800 auf dem Campus Lise-Meitner in Wannsee und 300 auf dem Campus Wilhelm-Conrad-Röntgen in Adlershof.
Das HZB ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V., der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

IH


Das könnte Sie auch interessieren

  • Neue Option, um Eigenschaften von Seltenerd-Elementen zu kontrollieren
    Science Highlight
    17.07.2024
    Neue Option, um Eigenschaften von Seltenerd-Elementen zu kontrollieren
    Die besonderen Eigenschaften von magnetischen Materialien aus der Gruppe der Seltenen Erden gehen auf Elektronen in der 4f-Schale zurück. Bislang galten die magnetischen Eigenschaften der 4f-Elektronen als kaum kontrollierbar. Nun hat ein Team von HZB, der Freien Universität Berlin und weiteren Einrichtungen erstmals gezeigt, dass durch Laserpulse 4f-Elektronen beeinflusst – und damit deren magnetische Eigenschaften verändert werden können. Die Entdeckung, die durch Experimente am EuXFEL und FLASH gelang, weist einen neuen Weg zu Datenspeichern mit Seltenen Erden.
  • HZB-Magazin lichtblick - die neue Ausgabe ist da!
    Nachricht
    09.07.2024
    HZB-Magazin lichtblick - die neue Ausgabe ist da!
    Auf der Suche nach dem perfekten Katalysator bekommt HZB-Forscher Robert Seidel nun Rückenwind – durch einen hochkarätigen ERC Consolidator Grant. In der Titelgeschichte stellen wir vor, warum die Röntgenquelle BESSY II für sein Vorhaben eine wichtige Rolle spielt.

  • BESSY II zeigt, wie sich Feststoffbatterien zersetzen
    Science Highlight
    09.07.2024
    BESSY II zeigt, wie sich Feststoffbatterien zersetzen
    Feststoffbatterien können mehr Energie speichern und sind sicherer als Batterien mit flüssigen Elektrolyten. Allerdings halten sie nicht so lange und ihre Kapazität nimmt mit jedem Ladezyklus ab. Doch das muss nicht so bleiben: Forscherinnen und Forscher sind den Ursachen bereits auf der Spur. In der Fachzeitschrift ACS Energy Letters stellt ein Team des HZB und der Justus-Liebig-Universität Gießen eine neue Methode vor, um elektrochemische Reaktionen während des Betriebs einer Feststoffbatterie mit Photoelektronenspektroskopie an BESSY II genau zu verfolgen. Die Ergebnisse helfen, Batteriematerialien und -design zu verbessern.