Röntgenstrahlen nehmen Magnete unter die Lupe
Eine neue, in Berlin entwickelte Untersuchungsmethode könnte Einzug in die Lehrbücher finden. Sie macht vor allem kompakte, dicke Materialien und magnetische Materialien zugänglich, die in der Halbleitertechnologie verwendet werden.
Wenn Sergio Valencia vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) mit einem Magnetfeld weiche Röntgenstrahlen ein wenig dreht, interessiert das nicht nur Physiker, sondern auch Hardware-Entwickler der Informationstechnologien. Schließlich lassen sich damit winzige Magnetstrukturen untersuchen, ohne die kaum ein moderner Rechner auskommt. Zunächst werden aber Grundlagenforscher die Methode nutzen, die Sergio Valencia und Andreas Gaupp mit Kollegen aus Deutschland, der Schweiz und Schweden im Fachblatt Physical Review Letters vorstellen, online am 3. Mai (DOI: 10.1103/PhysRevLett.104.187401).
Die Methode basiert auf einem bekannten Effekt, der auftritt, wenn polarisiertes Licht auf ein Magnetfeld innerhalb eines Feststoffes trifft. Die Lichtebene dreht in diesem Fall ein wenig, Und da Röntgenstrahlen nichts anderes als sehr kurzwelliges Licht sind, werden auch sie von einem Magnetfeld unter bestimmten Umständen gedreht.
Mit der richtigen Messmethode kann man also aus der Drehung der Polarisationsebene des Röntgenlichts auf das magnetische Material schließen. Je kürzer die Wellenlänge des verwendeten Lichts ist, umso kleinere Strukturen kann man beobachten. Mit weicher Röntgenstrahlung, also sehr kurzwelligem Licht lassen sich daher entsprechend kleine Strukturen untersuchen. Ähnliche Methoden nutzen Physiker schon seit einiger Zeit. In den 1990er Jahren wurde dann mit sichtbarem Licht ein spezieller Effekt gefunden, der nach seinen Entdeckern Schäfer-Hubert-Effekt genannt wird. Ihn konnte Sergio Valencia jetzt auf Röntgenstrahlen ausdehnen, und er beobachtet damit eine Drehung der Polarisationsebene um knapp 0,1 Grad.
Diese minimale Verdrehung eröffnet Physikern eine neue Analysemethode. Anders als bei anderen Verfahren müssen die Röntgenstrahlen das untersuchte Material nicht durchdringen, sondern sie werden reflektiert. Daher lassen sich auch dicke Schichten untersuchen, durch die keine Röntgenstrahlen dringen.
Viele Methoden eignen sich obendrein nur für ferromagnetische Materialien, von denen Eisen das bekannteste ist. Daneben gibt es aber auch anti-ferromagnetische Substanzen wie Nickeloxid, die für die Informationstechnologie sehr interessant sind, sich aber bisher nur mit einer einzigen Methode untersuchen ließen, die mit XMLD für „X-Ray Magnetic Linear Dichroism“ abgekürzt wird. Diese funktioniert mit konstantem Röntgenlicht gut. Schwieriger aber wird es mit Lasern, die Röntgenpulse mit unterschiedlicher Intensität aussenden und die zunehmend verwendet werden.
Vor allem für anti-ferromagnetische Substanzen bietet daher die neue Methode des HZB eine wertvolle Ergänzung, weil sie gegen solche Intensitätsschwankungen weniger empfindlich ist. Obendrein kann man damit in Mischmaterialien magnetische Substanzen wie Eisen, Nickel, Kobalt und viele andere Substanzen einzeln identifizieren und messen. „Eine solche Methode gab es bisher nicht“, freut sich Sergio Valencia. Sie wird wohl bald von vielen Kollegen eingesetzt werden.