Kraftanstrengung für den bedrohten Wikingerschatz vom Oseberg

© Museum of Cultural History, University of Oslo /<br />Eirik Irgens Johnsen  <br />An dem reich verzierten Zeremonialwagen aus der Wikingerzeit  <br />lösen sich die Holzfasern durch die Konservierungstechnik auf.

© Museum of Cultural History, University of Oslo /
Eirik Irgens Johnsen
An dem reich verzierten Zeremonialwagen aus der Wikingerzeit
lösen sich die Holzfasern durch die Konservierungstechnik auf.

© HZB / Silvia Zerbe<br />Dr. Hartmut Kutzke (re.), Konservator am Kulturhistorischen <br />Museum Oslo, untersuchte Holzproben des Wikingerfundes <br />vom Oseberg an der Infrarot-Beamline IRIS am <br />Elektronenspreicherring  BESSY II. Dr. Ulrich Schade (li.) <br />vom Helmholtz-Zentrum Berlin betreute die Messungen.

© HZB / Silvia Zerbe
Dr. Hartmut Kutzke (re.), Konservator am Kulturhistorischen
Museum Oslo, untersuchte Holzproben des Wikingerfundes
vom Oseberg an der Infrarot-Beamline IRIS am
Elektronenspreicherring BESSY II. Dr. Ulrich Schade (li.)
vom Helmholtz-Zentrum Berlin betreute die Messungen.

© Museum of Cultural History, University of Oslo /<br /> Eirik Irgens Johnsen  <br />Das bekannteste Fundstück vom Oseberg ist ein gut erhaltenes  <br />und reich verziertes Wikingerschiff, in dem zwei Frauen <br />von hohem gesellschaftlichen Rang bestattet wurden. <br />Es wurde nicht mit Alaun behandelt.

© Museum of Cultural History, University of Oslo /
Eirik Irgens Johnsen
Das bekannteste Fundstück vom Oseberg ist ein gut erhaltenes
und reich verziertes Wikingerschiff, in dem zwei Frauen
von hohem gesellschaftlichen Rang bestattet wurden.
Es wurde nicht mit Alaun behandelt.

Norwegische Restauratoren wollen mit Hilfe von Messungen am HZB den Zerfall eines der wichtigsten Kulturgüter aus der Wikingerzeit aufhalten

Forscher vom Kulturhistorischen Museum in Oslo haben in enger Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) Holzgegenstände aus der Wikingerzeit an der Synchrotronquelle BESSY II untersucht. Die Restauratoren erwarten von der zerstörungsfreien Methode wichtige Erkenntnisse, um den Zerfall dieser einzigartigen Kunstobjekte aufzuhalten. Die Holzgegenstände stammen aus einem 1904 aufgefundenen Wikingergrab am Oseberg in der Nähe des Oslo-Fjords.  Der Oseberg-Fund gilt als eines der wichtigsten Zeugnisse der Wikingerzeit und ist eine der meist besuchten Sehenswürdigkeiten Norwegens. Allerdings droht nun der Zerfall, weil sich die Holzfasern der Objekte auflösen. Der Grund dafür ist die vor einhundert Jahren in Skandinavien weitverbreitete Konservierungstechnik, mit der Kunstgegenstände behandelt wurden. Nun versuchen Chemiker und Restauratoren des Projektes Saving Oseberg mit internationaler Unterstützung  den Nationalschatz Norwegens zu retten.

Mit Messungen an der Synchrotronquelle BESSY II am HZB haben die Restauratoren aus Oslo den Zustand des Holzes untersucht, um Strategien für die zukünftige Konservierung daraus ableiten zu können. „Um den Verfallsprozess der Kulturschätze aufzuhalten, müssen wir sehr genau die chemischen Prozesse analysieren, die das Konservierungsmittel im Holz verursacht hat“, sagt Dr. Hartmut Kutzke, der als Chemiker am Kulturhistorischen Museum in Oslo, das Konservierungsprojekt leitet. Für ihre Untersuchungen nutzten die norwegischen Wissenschaftler die Infrarot-Beamline IRIS. Mithilfe von spektroskopischen Methoden im Infrarot-Bereich konnten die Forscher bei sehr guter Auflösung erkennen, welche chemischen Veränderungen das organische Material aufweist und wie die übereinanderliegenden Lackschichten zusammengesetzt sind, die im Laufe einer über hundertjährigen Konservierungsgeschichte aufgebracht wurden. „Die Methode arbeitet vollkommen zerstörungsfrei. Mit der brillanten Synchrotronstrahlung von BESSY II können wir kleinste Proben, die für das Auge kaum sichtbar sind, punktgenau untersuchen“, beschreibt Dr. Ulrich Schade vom Helmholtz-Zentrum Berlin die Vorteile der Infrarot- Methode.

Der Grabhügel auf der Oseberg-Farm am Oslofjord enthielt neben einem fast vollständig erhaltenen Wikingerschiff zahlreiche Kunstgegenstände. Der Fund aus dem 9. Jahrhundert zählt zu wichtigsten Zeugnissen der Wikingerzeit.  Zum Zeitpunkt der Bergung waren die Gegenstände teilweise stark fragmentiert. Restauratoren haben Anfang des 20. Jahrhunderts die einzelnen Holzstücke, unter anderem von vier Zeremonialschlitten und einem -wagen, mit Alaunlösung (Kalium-Aluminium-Sulfat) konserviert. Das Alaun kristallisierte im Holz und stabilisierte dadurch die Holzstruktur. Nach der Behandlung wurden die Fragmente mit Metallstiften und -schrauben zusammengefügt und anschließend mit einer Lackschicht überzogen.


In den letzten zwanzig Jahren bemerkten die Forscher, dass die wertvollen Holzgegenstände des Wikingerfundes zunehmend brüchig wurden. Untersuchungen zeigten, dass das behandelte Holz inzwischen sehr sauer reagierte. Das Alaun, das ursprünglich zur Verfestigung des Holzes eingesetzt wurde, hatte zur kompletten Zerstörung der Zellulose-Fasern, einem wichtigen Hauptbestandteil des Holzes, geführt. „Teile des Wikinger-Schatzes vom Oseberg sind in einem sehr schlechten Zustand. Sie werden teilweise nur noch von den äußeren Lackschichten zusammengehalten“, erklärt Hartmut Kutzke.


Die Forscher untersuchten nun mit Hilfe der Infrarot-Messungen, ob sich auch ein weiterer Holzbestandteil, das Lignin, in seiner Zusammensetzung durch die Alaun-Lösung verändert hat. Auch die Metallstifte und Nägel, mit denen die Holzgegenstände nach der Bergung zusammengefügt wurden, könnten katalytische Prozesse in den wertvollen Holzgegenständen ausgelöst und unbekannte Wechselwirkungen mit dem Alaun und anderen zur Restaurierung verwendeten Materialien verursacht haben. Erste Ergebnisse bestätigen, dass in den betroffenen Gegenständen vom Oseberg keine Zellulose mehr übrig ist und sich das Lignin stark verändert hat. Auf der Mikroebene konnten die Forscher deutliche Unterschiede zu anderem, nicht mit Alaun behandelten archäologischen Holz erkennen.


Aufbauend auf den Ergebnissen wollen die Restauratoren neue Konservierungsmaterialien für archäologisches Holz entwickeln, um den Wikingerschatz vom Oseberg erneut - und dieses Mal nachhaltig - zu konservieren. „Unser Ziel ist es, ein künstliches Holz zu entwickeln. Das kann eine Art Lignin sein, das im Inneren eine neue Holzstruktur bildet“, sagt Projektleiter Kutzke. Diese neuartigen Materialien könnten dann weltweit für die Konservierung von Kulturschätzen aus Holz eingesetzt werden.

Ansprechpartner:
Dr. Hartmut Kutzke
Kulturhistorik Museum, Universitetet I Oslo
Tel: + 47 22 85 94 77 / Email: hartmut.kutzke@khm.uio.no

Dr. Ulrich Schade
Helmholtz-Zentrum Berlin
Institut „Methoden und Instrumentierung der Forschung mit Synchrotronstrahlung“
Tel: 030 / 80 62 – 13449 / Email: ulrich.schade@helmholtz-berlin.de

SZ


Das könnte Sie auch interessieren

  • Neue Option, um Eigenschaften von Seltenerd-Elementen zu kontrollieren
    Science Highlight
    17.07.2024
    Neue Option, um Eigenschaften von Seltenerd-Elementen zu kontrollieren
    Die besonderen Eigenschaften von magnetischen Materialien aus der Gruppe der Seltenen Erden gehen auf Elektronen in der 4f-Schale zurück. Bislang galten die magnetischen Eigenschaften der 4f-Elektronen als kaum kontrollierbar. Nun hat ein Team von HZB, der Freien Universität Berlin und weiteren Einrichtungen erstmals gezeigt, dass durch Laserpulse 4f-Elektronen beeinflusst – und damit deren magnetische Eigenschaften verändert werden können. Die Entdeckung, die durch Experimente am EuXFEL und FLASH gelang, weist einen neuen Weg zu Datenspeichern mit Seltenen Erden.
  • HZB-Magazin lichtblick - die neue Ausgabe ist da!
    Nachricht
    09.07.2024
    HZB-Magazin lichtblick - die neue Ausgabe ist da!
    Auf der Suche nach dem perfekten Katalysator bekommt HZB-Forscher Robert Seidel nun Rückenwind – durch einen hochkarätigen ERC Consolidator Grant. In der Titelgeschichte stellen wir vor, warum die Röntgenquelle BESSY II für sein Vorhaben eine wichtige Rolle spielt.

  • BESSY II zeigt, wie sich Feststoffbatterien zersetzen
    Science Highlight
    09.07.2024
    BESSY II zeigt, wie sich Feststoffbatterien zersetzen
    Feststoffbatterien können mehr Energie speichern und sind sicherer als Batterien mit flüssigen Elektrolyten. Allerdings halten sie nicht so lange und ihre Kapazität nimmt mit jedem Ladezyklus ab. Doch das muss nicht so bleiben: Forscherinnen und Forscher sind den Ursachen bereits auf der Spur. In der Fachzeitschrift ACS Energy Letters stellt ein Team des HZB und der Justus-Liebig-Universität Gießen eine neue Methode vor, um elektrochemische Reaktionen während des Betriebs einer Feststoffbatterie mit Photoelektronenspektroskopie an BESSY II genau zu verfolgen. Die Ergebnisse helfen, Batteriematerialien und -design zu verbessern.