Protonentherapie
Was erwartet die Patienten?
Nähere Informationen zu:
Aufenthalt in der Augenklinik
Bei Vorstellung des Patienten in der Tumorsprechstunde der Augenklinik stellt der Augenarzt die Diagnose und legt das weitere Vorgehen fest. Wird die Protonenbestrahlung als Behandlungsoption erwogen, schließt sich in der Regel ein mehrtägiger stationärer Aufenthalt an, um die erforderlichen klinischen Maßnahmen treffen zu können.
Augenbestrahlungen erfordern Präzisionsarbeit. Um zu gewährleisten, dass der Teilchenstrahl genau den Tumor trifft, muss dieser gut vom gesunden Gewebe in dessen unmittelbarer Umgebung abgegrenzt sein. Der Augenarzt bestimmt zunächst mit Hilfe von Fotografien des Augenhintergrundes und Ultraschallaufnahmen die Lage, Ausdehnung und Form des Tumors. Falls es sich bei dem Tumor um ein Aderhautmelanom oder ein anderes, tief in das Auge reichendes Melanom handelt, näht er auf die Lederhaut des erkrankten Auges einige kleine Markierungsplättchen aus Tantal auf. Anschließend kann auch die räumliche Lage des Tumors in Bezug zu den Tantalplättchen bestimmt werden.
Tantal wird vor allem wegen seiner biologischen Verträglichkeit vielfach in der chirurgischen Medizin eingesetzt. Die Plättchen verursachen in der Regel keinerlei Beschwerden und brauchen nach der Bestrahlung nicht entfernt zu werden.
Bildgebungsverfahren in der Tumordarstellung
Nach erfolgter Aufnähung der Markierungsplättchen wird eine Computertomographie des erkrankten Auges durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine spezielle Röntgenuntersuchung, bei der sich die Plättchen auf dem Auge gut abbilden lassen. Die Untersuchung selbst ist völlig schmerzfrei und dauert nur wenige Minuten. Kontrastmittel werden nicht benötigt.
In bestimmten Fällen kann der Augenarzt eine ergänzende Kernspintomographie des erkrankten Auges anfordern. Für diese Untersuchung wird das Auge des Patienten lokal betäubt. Nach erfolgter Betäubung wird der Patient mit einem Krankentransport von der Augenklinik des Klinikums Benjamin Franklin in das speziell ausgerüstete MRT-Labor des Virchow-Klinikums gefahren. Die Untersuchung dort nimmt etwa eine Stunde in Anspruch. Anschließend bringt der Transport den Patienten in die Augenklinik zurück. Falls der Patient zu diesem Zeitpunkt bereits entlassen worden ist, erfolgt die Untersuchung ambulant und ein erneuter stationärer Aufenthalt ist nicht erforderlich.
Für die Kernspinuntersuchung spielt es keine Rolle, ob zuvor Markierungsplättchen aufgenäht worden sind oder nicht. Abgesehen von ihrem unbestrittenen diagnostischen Wert hat sich die Kernspintomographie als klinisch fundierte Grundlage für die sich anschließende Bestrahlungsplanung sehr bewährt. Dies gilt besonders für hochragende oder unregelmäßig geformte Tumoren, aber auch für solche, die mit den herkömmlichen Untersuchungsmethoden ansonsten schlecht einsehbar bzw. schwer abgrenzbar sind.
Bestrahlungsplanung und Anfertigen von Lagerungshilfen
Der Hauptnutzen der auf die Lederhaut aufgenähten Plättchen besteht darin, das erkrankte Auge mit einer Genauigkeit von Bruchteilen eines Millimeters am HZB-Behandlungsplatz positionieren zu können. Die genaue Positionierung ist für die Präzisionsbestrahlung am Auge eine Grundvoraussetzung, um die Vorteile der Protonentherapie ausnutzen zu können. Nur in den Fällen, in denen der Tumor von außen sichtbar und klar umschrieben ist, kann der behandelnde Arzt die Lagerung unter Sicht vornehmen, und er kann auf die Plättchen verzichten.
Die Positionsdaten und sonstige Einstellwerte für die Bestrahlung werden vom Bestrahlungsplan vorgegeben, den die Medizinphysiker gemeinsam mit Strahlentherapeuten der Charité auf Basis der patientenbezogenen klinischen Daten entwerfen.
Hierbei werden u.a. die aus den tomographischen Untersuchungen gewonnenen Bilddatensätze verwendet, so wie dies auch in der konventionellen Bestrahlungsplanung üblich ist. Aus diesen Bilddatensätzen werden das erkrankte Auge, der darin befindliche Tumor sowie die aufgenähten Markierungsplättchen präzise rekonstruiert. Die gesamte Rekonstruktion wird dann im Planungsprogramm als dreidimensionales Computermodell gespeichert und grafisch veranschaulicht, woraus sich leicht die räumlichen Beziehungen zwischen den Einzelstrukturen ersehen und mit den klinischen Vorgaben vergleichen lassen können. Am Computermodell kann die Bestrahlung virtuell simuliert und ein optimaler Einstrahlwinkel für die geplante Protonentherapie ausgerechnet werden, unter dem die strahlenempfindlichen Bereiche im Auge bestmöglich geschont werden können.
Zwecks Anpassung geeigneter Lagerungshilfen und zur realen Simulation der Bestrahlungssituation wird der Patient an zwei aufeinander folgenden Tagen auf seine Behandlung am HZB vorbereitet. Die Vorbereitung und die spätere Bestrahlung erfolgen ambulant. In einer Generalprobe wird der Patient dabei mit den typischen und stets wiederkehrenden Abläufen vertraut gemacht, wodurch es vielen bereits gelingt, ihre anfängliche Scheu vor dem zunächst ungewohnten Umfeld abzulegen.
Am ersten Vorbereitungstag am HZB fertigen die Mitarbeiter der Charité für den Patienten eine Gesichtsmaske und einen Gebissabdruck auf einem Beißblock an, die als Lagerungshilfen an den Behandlungsstuhl im Bestrahlungsraum montiert werden. Beides hilft dem Patienten, seinen Kopf ruhig zu stellen, während er auf dem Behandlungsstuhl sitzt. Der Stuhl kann in Schritten von einem Zehntelmillimeter entlang der drei Raumachsen verfahren und zusätzlich um zwei Rotationsachsen gedreht werden. So wird der Patient in die spätere Behandlungsposition gebracht.
Da die Augen des Patienten beweglich bleiben, wird zur Ruhigstellung eine Blickrichtung über ein Fixierlicht vorgeben. Hierzu wird der Patient zunächst auf dem Stuhl vorpositioniert. Während er seinen Blick auf das Fixierlicht richtet, erfassen verschiedene Kameras das Bild des erkrankten Auges in starker Vergrößerung, so dass schon kleinste Bewegungen auf speziellen Augenmonitoren erkannt werden können. Bei der voreingestellten Position werden dann digitale Röntgenaufnahmen unter verschiedenen Blickrichtungen angefertigt. Auf den Röntgenbildern werden die Markierungsplättchen sichtbar, anhand derer sich direkt am Behandlungsplatz die Augenstellung bestimmen und später wie gewünscht regulieren lässt. Der Vorteil der röntgengesteuerten Positionierung liegt in der objektiven Kontrolle der Augenstellung unmittelbar vor der Bestrahlung. Selbst in Fällen eines verschlechterten Sehvermögens oder „schiefer“ Blickrichtung, etwa bei schielenden Patienten, kann das erkrankte Auge ggf. unter Zuhilfenahme des gesunden Auges immer noch korrekt und reproduzierbar für die Therapie positioniert werden.
Die „Belastung“ durch die Röntgenaufnahmen ist durch deren Beschränkung auf das Auge und die mit ihnen verbundene, extrem geringe Röntgendosis von weniger als einem Hundertstel der durchschnittlichen Dosis bei einer computertomographischen Aufnahme verschwindend klein. Nach etwa einer Dreiviertelstunde hat der Patient seine Aufgabe für diesen Tag erfüllt.
Plankontrolle und Abschluss der Vorbereitungen
Die Medizinphysiker besprechen zwischenzeitlich ihre erarbeiteten Bestrahlungspläne mit den Augenärzten und Strahlentherapeuten der Charité. Dabei wird auch die Wahl des Einstrahlwinkels für den Protonenstrahl und die aus der Tumorprojektion resultierende Form des Strahlenfeldes beurteilt. Bevor nun die Techniker in der Werkstatt für jeden Patienten eine Messingblende für die individuelle Feldformung zuschneiden, kontrollieren die Medizinisch-technische Radiologieassistenten (MTRA) in einer zweiten Sitzung mit dem Patienten am zweiten Vorbereitungstag, ob der Bestrahlungsplan auch praktisch umsetzbar ist. Dazu wird der Patient erneut auf dem Behandlungsstuhl gesetzt und so gelagert, wie es für die eigentliche Bestrahlung vorgesehen ist.
Die Lage bzw. Blickrichtung des Patienten wird so lange korrigiert, bis eine zufrieden stellende Übereinstimmung zwischen den Positionen der Markierungsplättchen auf dem Röntgenbild mit den vom Bestrahlungsplan vorgegebenen Sollpositionen besteht.
Um ein Blinzeln während der Bestrahlung zu verhindern und die Augenlider aus dem Protonenstrahl heraushalten, setzen die MTRA dem Patienten jetzt Lidhalter ein. Sie geben Tränenersatzlösung und Betäubungstropfen ins Auge, damit der Patient die Lagerungsprozedur, die im Ganzen etwa eine halbe Stunde dauert, gut aushalten kann. Der eintreffende Strahl wird dann mit einem Lichtfeld simuliert. Zur Veranschaulichung des geplanten Strahlenfeldes auf dem Patientenauge kommt bereits ein Modell der Feldblende zum Einsatz, dessen Form mit der später anzufertigenden Messingblende identisch ist. Während der Simulation werden die Einstellwerte für den Behandlungsstuhl ermittelt. Außerdem stellt sich heraus, ob der Bestrahlungsplan noch angepasst werden muss. Am Schluss der Sitzung werden die Stuhlkoordinaten und weitere für die Patientenlagerung relevante Daten gespeichert, damit diese bei der ersten Bestrahlungssitzung sofort verfügbar sind und erneut eingestellt werden können.
Während der Plankontrolle ist ein Strahlentherapeut der Charité zugegen, der mit jedem Patienten Einzelgespräche über die anstehende Protonentherapie führt. Dabei wird auch der Bestrahlungsplan vorgestellt, nach dem die Protonentherapie durchgeführt wird. Der Arzt klärt über die zu erwartenden Heilungschancen und die möglichen Risiken und Nebenwirkungen der Therapie in Ihrem speziellen Fall auf. Minderjährige und betreute Patienten werden gebeten, ihre nächsten Angehörigen bzw. ihren Betreuer zum Aufklärungsgespräch mitbringen.
Bestrahlung mit Protonen
Die gesamte Bestrahlungsdosis wird in vier gleichen Einheiten (Fraktionen) gegeben. Zwischen dem Dienstag und Freitag in der Therapiewoche erscheint der Patient also täglich zur Bestrahlung am HZB, wobei die Lagerung, die in jeder Sitzung erneuert werden muss, die meiste Zeit in Anspruch nimmt. Die eigentliche Dosisgabe in jeder Fraktion dauert selbst nur eine halbe bis eine Minute.
Die MTRA positionieren den Patienten mit den in der Plankontrolle gespeicherten Einstellwerten auf dem Behandlungsstuhl vor. Anhand von Röntgenaufnahmen wird die Bestrahlungsposition wiederum mit der Sollposition verglichen, korrigiert und dokumentiert. Ein vergrößertes Fernsehbild des zu bestrahlenden Auges wird auf Bildschirme im Bestrahlungsraum sowie im Therapiekontrollraum übertragen, wo das Personal sich während der Dosisgabe aufhalten wird. Während dieser Zeit wird Sprechkontakt mit dem Patienten gehalten. Die MTRA markieren die Sollposition des Auges auf einem speziellen Augenmonitor, um bei einer möglichen Augenbewegung den Strahl sofort zu unterbrechen. Hat der Patient die Behandlungsposition ggf. nach einer kurzen Pause erneut eingenommen, so ist die Wiederaufnahme der unterbrochenen Dosisgabe auf Knopfdruck problemlos möglich.
Abschlussgespräch und augenärztliche Nachsorgeuntersuchungen
Am letzten Bestrahlungstag führt der behandelnde Arzt ein Abschlussgespräch mit jedem Patienten, in dem der Behandlungserfolg bewertet sowie letzte organisatorische Belange geklärt werden. Ihre Aufenthalte in Berlin, die im Zusammenhang mit der Therapie notwendig gewesen sind, wird er gegenüber den Krankenkassen bescheinigen. Er bespricht dann auch die für Sie vorgesehenen Nachsorgeuntersuchungen, die sich an die nun beendete Protonentherapie in etwa halbjährlichen Abständen anschließen werden. Vom Arzt erhalten Sie noch am gleichen Tag einen Brief, in dem Ihre nächsten Termine in der Augenklinik vermerkt sind und der als Behandlungsnachweis für Ihre Unterlagen bestimmt ist.