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Lise Meitner Denkmal

vergrößerte Ansicht

Lise-Meitner-Denkmal im Ehrenhof
der Humboldt-Universität zu Berlin

Anna Franziska Schwarzbach in ihrem Atelie - vergrößerte Ansicht

Die Künstlerin Anna Franziska Schwarzbach in ihrem Atelier bei der Arbeit. ©HZB

Das Denkmal ist auch ein Erinnerungsort für jüdische Wissenschaftler

Die aufgebrochene Struktur des Sockels hat aber noch eine andere Wirkung: So soll der Betrachter nicht nur auf die Leistungen einer ungewöhnlichen Frau, sondern auch auf die Zerrissenheit und Entfremdung im Leben Lise Meitners aufmerksam werden. Die Mehrschichtigkeit des Denkmals ist den Initiatorinnen Angelika Keune, Kustodin an der HU Berlin, und der HU-Frauenbeauftragten Ursula Fuhrich-Grubert ein wichtiges Anliegen: Sie wollen mit dem Denkmal auch einen Erinnerungsort für jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schaffen, die unter dem nationalsozialistischen Regime verfolgt, vertrieben und ermordet wurden.

HZB zeigt Verbundenheit mit Lise Meitner

Das Lise-Meitner-Denkmal konnte nur dank zahlreicher Sponsoren und privater Geldgeber realisiert wer¬den. Das Helmholtz-Zentrum Berlin hat sich frühzeitig entschlossen, sich mit einer Spende in Höhe von 10.000 Euro an dem Bau zu beteiligen. Mit dieser Unterstützung zeigt das HZB die Verbundenheit mit Lise Meitner. Das Helmholtz-Zentrum Berlin ist hervorgegangen aus der Fusion des Hahn-Meitner-Instituts und der BESSY GmbH. Der traditionelle Forschungsstandort in Berlin-Wannsee trägt seitdem den Namen „Lise-Meitner-Campus“. Das HZB hat sich dafür eingesetzt, dass ein öffentlicher Platz in unmittelbarer Nähe des Zentrums umbenannt wird und seitdem an das das Wirken Lise Meitners und Otto Hahns erinnert.

Über die Künstlerin

Anna Franziska Schwarzbach wurde 1949 im Erzgebirge geboren. Sie studierte Architektur an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und absolvierte anschließend ein weiterführendes Studium der Porträtplastik. Seit 1977 lebt sie als freie Bildhauerin und Medailleurin in Berlin. Für ihr Werk bekam sie wichtige Auszeichnungen; die von ihr geschaffenen Büsten sind in zahlreichen Museen  und im öffentlichen Raum präsent. Seit 2013 ist sie Zweite Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst.

Lise Meitner – Über das Leben einer außergewöhnlichen Frau und Vordenkerin

Portrait Lise Meitner

Fast wäre Lise Meitner Französischlehrerin geworden. Sie absolviert eine Ausbildung in einem klassischen Frauenberuf, für den damals kein Studium erforderlich war. Doch ihre Zuneigung zur Physik war schließlich stärker. Mädchen durften zu dieser Zeit in Österreich Gymnasien nicht besuchen. So bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich eigenständig auf das Abitur vorzubereiten. Lise Meitner ist fast 23 Jahren alt, als sie sich endlich an der Universität Wien 1901 für die Fächer Physik, Mathematik und Philosophie einschreiben kann.

Ihre Eltern, weltoffen und tolerant, unterstützen sie auf ihrem Weg. Lise Meitner ist ehrgeizig und wissbegierig; sie lernt von früh bis spät in die Nacht. Gleich in den ersten Studienjahren kommt sie mit Professor Boltzmann in Kontakt, der ihre Vorliebe für die Physik verstärkt. Nach acht Semestern nimmt Lise Meitner direkt ihre Doktorarbeit in Angriff. Sie promoviert über „Wärmeleitung in inhomogenen Körpern“ und erhält 1906 von der Universität Wien als zweite Frau den Doktortitel in Physik. Später schreibt sie über ihre Studienzeit, dass sie „wie ein Kind von der Märchenwelt fasziniert [war], ohne sich zu fragen, wie und wo man in diese Welt hineingehört.“

Lise Meitner beschäftigt sich nun mit den großen Fragen der Radioaktivität und verfolgt aufmerksam die aufregenden neuen Publikationen. Sie bewirbt sich bei Marie Curie – aber bekommt eine Absage. Nun will sie zu Max Planck nach Berlin gehen. Es ist eine gute Entscheidung, denn zu dieser Zeit versammeln sich in Berlin viele bedeutende Naturwissenschaftler, in deren Kreis sie später ganz selbstverständlich verkehren wird. In Berlin angekommen, erfährt sie, dass Frauen in Preußen noch nicht an Universitäten zugelassen sind. Sie überredet Max Planck, der eigentlich nichts von Frauen in Hörsälen hält, eine Ausnahme zu gestatten. Lise Meitner ist eine aufmerksame Zuhörerin, doch sie will auch praktisch arbeiten. Sie trifft schließlich Otto Hahn, der ihre Wiener Arbeiten kennt und sofort mit ihr arbeiten will. Allerdings ist Hahns Chef, Emil Fischer, alles andere als begeistert von dieser „Weiberwirtschaft“. Aber auch er lenkt schließlich ein: „Wenn sie im Keller bleibt und niemals das Institut betritt, soll es mir recht sein“. Die „Holzwerkstatt“, in der beide Wissenschaftler arbeiten, liegt im Keller, Lise Meitner schleicht sich durch den Hintereingang, eine Damentoilette gibt es nicht. Lise Meitner akzeptiert diese Umstände. Ihr späterer Mitarbeiter, Fritz Straßmann, schreibt: „In ihrem ganzen Leben hat sie wissenschaftlichen Ehrgeiz und persönliche Empfindungen der […] Forschungsaufgabe untergeordnet.“

Das Forscherduo Hahn-Meitner kommt schnell voran, veröffentlicht gemeinsam in den ersten Jahren mehr als 22 Arbeiten über verschiedene radioaktive Zerfallsprodukte, die viel Beachtung finden. Dennoch wird Lise Meitner in der Öffentlichkeit stets als Hahns Assistentin wahrgenommen, auch finanziell ist sie immer noch auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Otto Hahn beschreibt Lise Meitner später „als sehr zurückhaltend, fast scheu.“ Beide siezen sich trotz langer Zusammenarbeit.

Als das neue Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin-Dahlem eröffnet wird, ziehen beide Forscher um. Lise Meitner arbeitet weiterhin unbezahlt in Otto Hahns Abteilung, bekommt aber ein Assistentengehalt von Max Planck – und muss dafür jede Woche Übungen von 300 Studenten kontrollieren. 1913 bekommt sie ein Angebot für eine Dozentenstelle in Österreich. Erst dann entschließt sich auch das Kaiser-Wilhelm-Institut, Lise Meitner unbefristet anzustellen. Im ersten Weltkrieg meldet sie sich freiwillig zum Dienst und versorgt als Röntgenschwester die Schwerverletzten direkt hinter der Front. Sie sehnt sich nach ihrem Labor und schreibt an ihre Freundin: „Ich liebe die Physik. […]. Es ist so eine Art persönliche Liebe, wie gegen einen Menschen, dem man sehr viel verdankt.“ Sie kehrt zurück und nimmt die gemeinsame Arbeit wieder auf. Noch 1918 publizieren sie die Entdeckung des Elements 91, des Protaktiniums (Pa), die beiden viel Ruhm einbringen wird.

Im Jahr 1920 endet die Zusammenarbeit zwischen Hahn und Meitner. Lise Meitner baut eine eigene Abteilung am Kaiser-Wilhelm-Institut auf. 1922 wird sie die erste Privatdozentin an der Humboldt-Universität. 1923 darf sie endlich auch Vorlesungen halten, aber erst 1926 bekommt sie die Urkunde zur außerordentlichen Professorin verliehen. Sie ist zu einer anerkannten Atomforscherin geworden und besucht internationale Konferenzen.

1933, mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, erfährt das Leben Lise Meitners die entscheidende Zäsur. Die Physikerin ist über die politische Situation beunruhigt und überlegt, ins Ausland zu gehen. Max Planck, Otto Hahn und andere raten ihr abzuwarten. Doch bereits im September 1933 wird ihr die Lehrbefugnis entzogen. Lise Meitner verharrt trotzdem, wie viele Mitarbeiter des Instituts schätzt sie die Situation falsch ein. Im Jahr 1938 verschärft sich die Lage.  Lise Meitner wird nahe gelegt, ihre Stelle selbst zu kündigen. Diese Botschaft überbringt ihr ausgerechnet Otto Hahn, der sich erfolglos für sie einsetzte. Sie ist darüber empört und fühlt sich von ihren engsten Mitstreitern im Stich gelassen. Es bleibt ihr nur noch ein kleines Zeitfenster, um aus Deutschland zu fliehen. Sie schmiedet mit Hahn einen Plan, über die Niederlande nach Schweden auszureisen. Alles geht schnell, ihr bleiben gerade einmal eineinhalb Stunden zum Packen, dann nimmt sie in den rettenden Zug in die Niederlande.

Im Herbst 1938 arbeitet sie am Stockholmer Nobelpreis-Institut, sie hat keine eigenen Mitarbeiter und keinen Laborplatz. Mit ihren Freunden bleibt sie im regen Briefkontakt. Hahn schreibt ihr von den aufregenden Experimenten, bei denen er und Straßmann Uran mit Neutronen beschossen habe. Hahn bittet sie, zu den absurden Ergebnissen etwas „auszurechnen und zu publizieren“. Zusammen mit ihrem Neffen Otto Frisch veröffentlicht Meitner 1939 die erste Arbeit über die Atomspaltung, die physikalisch-theoretische Erklärung für die Experimente Hahns und Straßmanns.

Verbittert schreibt sie wenig später an Otto Hahn, dass „jetzt viele glauben, dass ich überhaupt nichts gemacht habe, und Du auch die ganze Physik in Dahlem gemacht hast. Ich verliere allmählich den Mut“. Jedoch wird sie nie kritisieren, dass nur Hahn den Chemie-Nobelpreis bekommen hat – für die Entdeckung der Kernspaltung auf chemischen Weg. Zu Recht wehrt Lise Meitner sich allerdings dagegen, wenn jemand sie als Hahns Assistentin hinstellt – und das, obwohl sie 15 Jahre lang eigenständig und mit großem Erfolg eine eigene Abteilung geleitet hat. Im schwedischen Exil lebt sie zurückgezogen und entfremdet.

Wieder durchkreuzt ein Weltgeschehen Lise Meitners Leben: Während ihrer USA-Reise 1946 wird Lise Meitner als Wegbereiterin der Atombombe gefeiert. Damals herrscht die Euphorie, dass durch den Abwurf auf Hiroshima und Nagasaki dem Krieg ein rasches Ende bereitet werden konnte. Lise Meitner distanziert sich stets davon, warnt vor den Gefahren der Atombombe und wirbt um eine Zusammenarbeit aller Nationen, damit solche schreckliche Kriege verhindert werden können. Sie setzt sich insbesondere für die friedliche Nutzung der Kernenergie ein.

Trotz mehrerer Angebote bleibt sie nicht in den USA, sondern kehrt nach Schweden zurück. Auch ein Angebot, nach Kriegsende die physikalische Abteilung in Mainz zu übernehmen, schlägt sie aus. Sie will nicht in einem Umfeld arbeiten, in dem viele Wissenschaftler über Jahre das NS-Regime unterstützt haben. Dennoch nimmt Lise Meitner zahlreiche Auszeichnungen aus Deutschland und Österreich an und nimmt als Ehrenmitglied an wissenschaftlichen Tagungen teil. 1959 kommt sie als Ehrengast zur der Einweihung des Hahn-Meitner-Instituts  nach Berlin. Bis ins hohe Alter reist sie und hält Vorträge. Mit 70 Jahren publiziert sie ihren letzten Nature-Artikel. Dann zieht sie zu ihrem Neffen nach Cambridge und später altersgeschwächt in ein Pflegeheim, wo sie kurz vor ihrem 90. Geburtstag am 27.Oktober 1968 stirbt.   

Von Silvia Zerbe (Quelle: Charlotte Kerner: Lise, Atomphysikerin. Die Lebensgeschichte der Lise Meitner, Beltz-Verlag, 3. Aufl. 1968)